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Kakadus kombinieren Werkzeuge zu Sets

Erde|Umwelt

Kakadus kombinieren Werkzeuge zu Sets
Kakadu
Ein Goffin-Kakadu beim Lösen der Werkzeug-Aufgabe. © Thomas Suchanek

Werkzeugsets zu nutzen und zum Einsatzort zu transportieren, galt lange als eine Fähigkeit, die Menschen und Schimpansen vorbehalten ist. Eine neue Studie zeigt, dass auch Goffin-Kakadus dazu in der Lage sind. Im Experiment brachten die Vögel zwei unterschiedliche Werkzeuge gezielt zu ihrer Futterstelle, um dort an eine in einem verschlossenen Kasten versteckte Cashewnuss zu gelangen. Das deutet darauf hin, dass sie die Werkzeuge tatsächlich als ein Set wahrnehmen und sich darüber bewusst sind, beide für die Lösung der Aufgabe zu benötigen.

Nur wenige Tiere sind in der Lage, Werkzeuge zu kombinieren, um an schwer zugängliche Futterquellen zu gelangen. Am besten erforscht ist dies bislang bei Schimpansen. Beobachtungen haben gezeigt, dass einige wildlebende Schimpansen zwei verschiedene Arten von Stöcken benutzen, um Termitenhügel aufzubrechen und die Termiten herauszuangeln. Unklar war allerdings lange, ob die Affen erst beim Anblick des mit dem ersten Werkzeug aufgebrochenen Hügels die Notwendigkeit erkennen, zu einem längeren, flexiblen Angelstock zu greifen, oder ob ihnen von Anfang an klar ist, dass sie beide Werkzeuge benötigen werden. Erst die Beobachtung, dass einige der Schimpansen tatsächlich gezielt beide Werkzeuge zum Termitenhügel transportieren, machte klar, dass unsere nächsten Verwandten ihre Hilfsmittel tatsächlich als Set wahrnehmen.

Kakadus als Werkzeugkünstler

Inspiriert von den Schimpansen hat ein Team um Antonio Osuna-Mascaró von der Veterinärmedizinischen Universität Wien ein ähnliches Experiment für Goffin-Kakadus entwickelt. Die kleinen weißen Papageien stammen ursprünglich von den indonesischen Tanimbarinseln zwischen dem asiatischen und australischen Festland. Eine Gruppe Goffin-Kakadus lebt an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und hat bereits in zahlreichen früheren Experimenten unter Beweis gestellt, dass die Vögel Werkzeuge herstellen, nutzen und aufbewahren können.

Für die aktuelle Studie stellten die Forschenden zehn ihrer Schützlinge vor eine ihnen zuvor unbekannte Aufgabe: „Zunächst wollten wir testen, ob sie in der Lage sind, die Verwendung eines Werkzeugsets selbst zu entwickeln“, sagt Osuna-Mascaró. „Wir haben ihnen also ein Problem gestellt, welches dem der Schimpansen beim Termitenfang ähnelt. Dabei versperrten wir den Vögeln mit einer Folie den Zugang zu einer in einem Kasten liegenden Cashewnuss und stellten ihnen zwei Werkzeuge zur Verfügung: einen kurzen, spitzen Stock und einen langen, flexiblen Plastikstrohhalm. Die Folie konnte nur mit dem spitzen Werkzeug aufgerissen werden, das dann aber zu kurz war, um die Belohnung zu erreichen. Also mussten beide nacheinander benutzt werden.“

Flexibler Einsatz

Für das erste Experiment war die Box leicht zugänglich platziert, damit die Vögel die Aufgabe kennenlernen konnten. Zehn Minuten plante das Forschungsteam für die Lösung ein. Doch die Vögel verblüfften die Forschenden mit ihrer Geschwindigkeit: Zwei der Kakadus schafften es schon beim ersten Versuch in weniger als 35 Sekunden. Auch fünf weitere Kakadus hatten nach zwei oder drei Versuchen den Bogen raus.

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Für die weiteren Experimente variierte das Team den Versuchsaufbau leicht. „Um zu testen, ob die Kakadus ihr Werkzeugset flexibel einsetzen, konfrontierten wir sie nach dem Zufallsprinzip abwechselnd mit zwei verschiedenen Boxen: eine mit einer Folie bedeckt, wie zuvor, und eine andere ohne Folie“, erklärt Osuna-Mascaró. „Die Kakadus mussten also je nach Problem handeln: Manchmal wurde das ganze Werkzeugset benötigt, manchmal reichte ein einziges Werkzeug.“ Das erinnert an die Situation der Schimpansen beim Termitenfang: Manchmal ist das gesamte Werkzeugset notwendig; bei Termitenhügeln, die bereits Löcher aufweisen, reicht der Angelstock aus. Auch bei diesem Experiment fanden die Goffin-Kakadus schnell heraus, wann sie welches Werkzeug brauchten.

Geplante Kombination

Doch handelt es sich beim Einsatz der Werkzeuge um eine Abfolge von unabhängigen Einzelhandlungen oder nehmen die Vögel die Werkzeuge tatsächlich als Set wahr? Um das herauszufinden, platzierten Osuna-Mascaró und sein Team die Box – mit oder ohne Folie – an einem schwerer zugänglichen Ort. Mal mussten die Vögel eine Leiter erklimmen, mal horizontal oder senkrecht fliegen, um zu der Plattform mit der Box zu gelangen. Würden sie, ebenso wie die Schimpansen, gleich beide potenziell benötigten Werkzeuge mitnehmen, um den anstrengenden Weg nicht noch einmal zurücklegen zu müssen?

Tatsächlich entschieden sich mehrere Individuen dafür, gleich beide Werkzeuge mitzunehmen. Wenn sie schon von weitem sehen konnten, dass die Box mit einer Folie verschlossen war, nahmen sie jedes Mal das komplette Set mit. War die Öffnung der Box hingegen offen, entschieden sie sich seltener dafür. „Unsere Kakadus hatten immer die Möglichkeit hin und her zu fliegen, ein Werkzeug zu benutzen und dann zurückzukehren, um das andere Werkzeug aufzuheben, zur Futterstelle zu transportieren und dort zu benutzen“, erklärt Osuna-Mascaró. „Stattdessen lernten mindestens drei von ihnen, beide Werkzeuge im Voraus mitzunehmen. Das deutet darauf hin, dass sie beide Werkzeuge als ein Set kategorisieren können.“

Erlernt statt angeboren

Die Ergebnisse zeigen, dass nicht nur Menschen und Schimpansen, sondern auch die evolutionär weit entfernten Goffin-Kakadus in der Lage sind, Werkzeugsets als solche wahrzunehmen und zu nutzen. Bei Vögeln waren solche Fähigkeiten bislang nur von Neukaledonischen Krähen bekannt. Da diese jedoch auch in freier Wildbahn regelmäßig Werkzeuge gebrauchen, ist bei ihnen davon auszugehen, dass ihnen diese Verhaltensweise angeboren ist. Bei freilebenden Goffin-Kakadus wurde dagegen bislang keine Werkzeugnutzung beobachtet. Die Forschenden gehen deshalb davon aus, dass es sich um ein erlerntes Verhalten handelt.

Quelle: Antonio Osuna-Mascaró (Veterinärmedizinische Universität Wien, Österreich) et al., Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2023.01.023

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