Unklar war bisher, wie der Darm dabei auf schädliche Bakterien reagiert. Dem Mechanismus auf die Spur gekommen sind die Wissenschaftler um Siegfried Hapfelmeier von der Universität Bern durch ein künstlich hergestelltes Bakterium: Mit gezielten Mutationen im Stoffwechsel des gutartigen Darmbakteriums Escherichia coli K-12 erreichten sie, dass es nur für einige Stunden den Darm besiedelt und rasch wieder aus dem Körper verschwindet. Dennoch reagierte der Darm von keimfreien Mäusen auf die mutierten Keime wie auf normale Bakterien. Weil der Kunstkeim aber vermehrungsunfähig ist, konnte die Besiedlung der Darmschleimhaut genau dosiert und auch wieder gezielt rückgängig gemacht werden.
Die beiden Ergebnisse der Versuchsanordnung erstaunte die Forscher: Das Darm-Immunsystem kann zählen, ist aber vergesslich. Generell richtet sich die Menge des ausgeschütteten Immunglobulin A nach der Anzahl der Bakterien, die den Darm passierten. Ob ein Krankheitserreger nach mehreren Tagen erneut den Darm besiedelte, war der Gesundheitskontrolle dabei völlig egal: Maßgeblich war die Endsumme der Bakterien. Als zweites zeigte sich, dass die Darm-Polizei auf den neu designten Keim durchaus mit einer spezifischen Immunantwort reagierte. Doch diese wurde nicht, wie beispielsweise bei Grippeviren üblich, lange gespeichert: Nachdem die Wissenschaftler ihr mutiertes Bakterium verschwinden ließen, verflüchtigten sich kurz darauf auch die Antikörper. Nach Ansicht der Forscher überschreibt das Darm-Immunsystem die Antikörper-Erinnerung an das Vergangene ständig: Zu übermächtig ist die ständige Stimulation durch die normale Darmflora, die sich zudem stetig verändert.