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Kolibris: Buchstäblich cooler Zustand

Erde|Umwelt

Kolibris: Buchstäblich cooler Zustand
Tagsüber schwirrt das Schwarzbauch-Glanzschwänzchen flink von Blüte zu Blüte, doch in der kalten Nacht verfällt der Anden-Kolibri in eine reglose Kältestarre. (Bild: neil bowman/iStock)

Kolibris in den kühlen Höhenlagen der Anden verfallen in den Nächten in eine erstaunliche Kältestarre, berichten Forscher. Um Energie zu sparen, senkt eine Art bei diesem Torpor genannten Zustand ihre Körpertemperatur auf bis zu 3,3 Grad Celsius ab, ergaben die Messungen. Dabei handelt es sich um die niedrigste Körpertemperatur, die bisher bei lebenden Vögeln gemessen wurde, sagen die Wissenschaftler.

Von Blüte zu Blüte schwirren sie durch die warmen Tropenwälder der Erde – doch einige Kolibriarten haben sich auch Extremstandorte in den südamerikanischen Anden erobert, an denen sie enormen Temperaturschwankungen ausgesetzt sind: In ihren Lebensräumen bis etwa 5000 Meter über dem Meeresspiegel können sich die Temperaturen nachts dem Gefrierpunkt nähern. Im Fall der winzigen Vögel erscheint diese Herausforderung besonders groß, denn sie gehören zu den kleinsten warmblütigen Lebewesen der Erde und besitzen zudem die höchste relative Stoffwechselrate aller Wirbeltiere. Um die Energiekosten für die Wärmeerzeugung und den anstrengenden Schwebeflug zu decken, müssen sie enorme Mengen Nektar sammeln. Dabei gilt: Verbrauchen sie mehr Energie als sie aufnehmen können, droht ihnen schnell das Aus.

Kolibris im kalten Energiesparmodus

Doch wie sind die Winzlinge in der Lage, mit ihren geringen Energiereserven in den kalten Nächten ihre normale Körpertemperatur von rund 36 Grad Celsius aufrechtzuerhalten? Es ist bereits seit einiger Zeit bekannt, dass einige Kolibriarten dies vermeiden, indem sie gleichsam in einen nächtlichen „Winterschlaf“ verfallen. Diesen Torpor genannten Zustand nutzen auch andere Wirbeltiere und einige Vogelarten, um vorübergehend ungünstige Umweltbedingungen zu überbrücken. Die an die Gebirgsregionen angepassten Kolibriarten können bei ihrem Kältetorpor ihre Körpertemperatur den Umgebungswerten angleichen, um Energie einzusparen. Die winzigen Vögel verfallen dabei abends in eine Starre, aus der sie morgens wieder erwachen, um sich erneut auf die Nahrungssuche zu begeben. Die Details dieses interessanten Konzepts sind allerdings bisher unklar. Der weiteren Erforschung des Kältetorpors bei Kolibris hat sich nun ein Team um Blair Wolf von der University of New Mexico in Albuquerque gewidmet.

In ihrem Fokus standen sechs Arten, deren Verbreitungsgebiete Höhenlagen der Anden umfassen. Die Untersuchungen wurden in etwa 3800 Metern über dem Meeresspiegel in Peru durchgeführt. Bei den Versuchstieren handelte es sich um jeweils 26 Exemplare jeder Art, die vorübergehend gefangen gehalten wurden. Die Forscher gaben ihnen Futter und setzten sie anschließend in speziellen Käfigen der natürlichen Nachttemperatur aus. Wie sie berichten, fielen die Umgebungswerte im Versuchszeitraum auf 5,9 bis 2,4 Grad Celsius. Mit welchen Veränderungen der Körpertemperatur die Versuchstiere darauf reagierten, erfassten die Wissenschaftler dabei durch winzige Fühler.

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Wie sich zeigte, verfielen alle sechs Arten im Lauf der Nächte in eine Kältestarre, es gab aber zwischen ihnen deutliche Unterschiede bei der Tiefe und Dauer des Schlafs. Aus den Temperaturmessungen ging hervor, dass die maximalen Abkühlungsraten während des Eintritts in den Torpor etwa 0,6 Grad Celsius pro Minute erreichten – die Spitzenaufwärmungsraten lagen wiederum bei etwa einem Grad Celsius pro Minute. Die Dauer des Zustands variierte wischen den Arten stark: von 2,3 bis zu knapp 13 Stunden, berichten die Forscher.

Kalter Rekord

Bei den meisten Arten sank die Körpertemperatur jede Nacht auf Werte von etwa fünf bis zehn Grad Celsius. Den Rekord lieferte das Schwarzbauch-Glanzschwänzchen (Metallure phoebe). Diese etwa zwölf Zentimeter großen Vögelchen ließen ihre Körpertemperatur auf bis zu 3,3 Grad Celsius sinken. „Diese im Rahmen der Studie gemessenen Minimalwerte der Körpertemperatur sind nach unserem Wissen die niedrigsten, die bisher bei Vögeln verzeichnet wurden“, schreiben die Wissenschaftler. Minimaltemperaturen von unter fünf Grad Celsius findet man ihnen zufolge nur bei manchen Säugetierarten im Zustand des Winterschlafs. „Es handelt sich bei dem Torpor der Kolibris um ein spektakuläres Beispiel für die Anpassung von Vögeln an extreme Umweltbedingungen“, so die Forscher.

Bisher bleibt ihnen zufolge allerdings unklar, ob die 3,3 Grad Celsius bereits das untere Limit beim Schwarzbauch-Glanzschwänzchen bilden. „In der vorliegenden Studie zeigte Metallure phoebe keine Anzeichen von Stoffwechselprozessen zur Beibehaltung eines unteren Limitwertes bei der Torportemperatur, wodurch sich die Möglichkeit ergibt, dass es niedrigere Werte bei noch kälteren Umweltbedingungen geben könnte“, schreiben Wolf und ihre Kollegen.

Quelle: Biol. Lett., doi: 10.1098/rsbl.2020.0428

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