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Korallen: Auferstanden von den Toten

Erde|Umwelt

Korallen: Auferstanden von den Toten
Die im Mittelmeer heimischen Korallen der Art Cladocora caespitosa verfügen über eine überraschende Überlebensstrategie. (Bild: : Diego K. Kersting)

Ungewöhnliche Hitzeperioden führen immer wieder zum Absterben von Korallenriffen. Doch aus den scheinbar toten Strukturen kann sich nach Jahren wieder neues Leben entwickeln, wie Forscher berichten. Denn manche Nesseltiere fallen durch den Hitzestress lediglich in eine Art Dornröschenschlaf. Aus diesem Zustand können sie später erwachen, zu alter Größe heranwachsen und das Riff auf diese Weise wiederbeleben. Diese bisher unbekannte Überlebensstrategie könnte bedeuten, dass zumindest einige Korallen besser gegen den Klimawandel gewappnet sind als gedacht.

Die von Korallen gebildeten Riffe im Meer sind einzigartige Ökosysteme, die vielen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum bieten. Doch der Klimawandel gefährdet diese besonderen Lebensräume zunehmend: Durch die steigenden Wassertemperaturen kommt es nicht nur am berühmten Great Barrier Reef immer wieder zu verheerenden Korallenbleichen und dem Absterben ganzer Riffbereiche – und Aussicht auf Erholung gibt es kaum noch. Zwar deuten Untersuchungen daraufhin, dass der wiederholte Kontakt mit höheren Wassertemperaturen zumindest einige Korallenarten widerstandsfähiger macht. Insgesamt scheinen sich die Nesseltiere jedoch nicht gut genug an die Erderwärmung anpassen zu können. Oder doch?

Schrumpfen bei Hitzestress

Womöglich verfügen Korallen über eine erfolgreiche Überlebensstrategie, die bislang übersehen wurde: Wie Diego Kersting von der Freien Universität Berlin und Cristina Linares von der Universität Barcelona berichten, können manche Nesseltiere in eine Art Dornröschenschlaf fallen und so schlechte Zeiten überstehen. Die Forscher beobachteten dieses Phänomen bei der im Mittelmeer vorkommenden Steinkoralle Cladocora caespitosa – einer Koralle, die bereits auf der Roten Liste der bedrohten Arten steht. Insgesamt 16 Jahre lang dokumentierten Kersting und Linares bei 243 Korallenkolonien, wie diese auf Wärmephasen im Sommer reagierten. Wie erwartet führten besonders warme Perioden zum Absterben vieler Nesseltiere. Doch nicht alle betroffenen Riffbereiche waren wirklich tot, wie ein genauerer Blick enthüllte.

Als Folge des Hitzestresses fuhren einige Polypen ihren Stoffwechsel herunter und begannen drastisch zu schrumpfen. Dabei zogen sie sich aus Teilen ihres Kalkskeletts zurück, wie das Team erklärt. In diesem Zustand überdauerten die minimierten Polypen versteckt in scheinbar verlassenen Kalkskeletten die harten Zeiten. In den ersten Jahren nach dem Absterbeereignis deutete noch nichts daraufhin, dass das Riff eines Tages wieder zum Leben erwachen würde. Doch nach und nach beobachteten die Wissenschaftler, dass sich immerhin 38 Prozent der betroffenen Kolonien langsam erholten: Die Polypen beendeten ihren Schlummerzustand, bauten ein neues Skelett im alten Skelett auf und wuchsen zu ihrer ursprünglichen Größe heran. Außerdem begannen sie, tote Koloniebereiche durch Knospen neu zu besiedeln. Nach einem Jahrzehnt hatten sich 13 Prozent der Kolonien nahezu vollständig erholt, wie Kersting und Linares berichten.

“Effektive Überlebensstrategie”

Hinweise auf dieses “Rejuvenescence” genannte Phänomen hatten Forscher bisher nur bei fossilen Korallen ausgestorbener Arten entdeckt. Doch von heutigen riffbildenden Nesseltieren war eine solche Verjüngung bislang vollkommen unbekannt – wahrscheinlich, weil vom vermeintlichen Absterben bis zur Wiederauferstehung der Korallen so viel Zeit vergeht. “Unsere Ergebnisse zeigen erstmals, dass moderne Steinkorallen über effektive Überlebensstrategien verfügen, die ihnen helfen, sich von Umweltveränderungen zu erholen”, konstatieren Kersting und Linares. Unklar bleibe allerdings, ob diese Strategie auch dann noch funktioniert, wenn es in Zukunft womöglich noch häufiger zu Temperaturanomalien kommt. “Nichtdestotrotz eröffnet diese Überlebensstrategie den Korallen zumindest eine kleine Möglichkeit, mit der globalen Erwärmung zurechtzukommen”, so das Fazit der Wissenschaftler.

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Quelle: Diego Kersting (Freie Universität Berlin) und Cristina Linares (Universität Barcelona), Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.aax2950

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