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Kuschelhormon macht nur sozial spendabler

Erde|Umwelt Gesellschaft|Psychologie

Kuschelhormon macht nur sozial spendabler
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René Hurlemann und Nina Marsh sind den Effekten des Oxytocins auf der Spur. (Bild: Uniklinikum Bonn)
Seine oft geradezu „weichspülerische“ Wirkung hat dem Oxytocin den Spitznamen „Kuschelhormon“ eingebracht: Es beeinflusst viele Aspekte des Sozialverhaltens des Menschen, zeigen Studien. Dass es sich tatsächlich um ein klares Sozial-Hormon handelt, belegt nun eine experimentelle Studie: Oxytocin steigert demnach speziell die Spendenbereitschaft für humanitäre Projekte – nicht aber für ökologische.

Das Oxytocin hat in den letzten Jahren geradezu Promi-Status erreicht, denn seine Wirkung ist faszinierend und pikant: Es sorgt für die Stärkung sozialer Bindungen – bei frisch Verliebten, beim Sex und beim Stillen ist der Spiegel dieses Hormons besonders hoch. „Frühere Studien haben zudem Hinweise dafür geliefert, dass der Botenstoff auch Großzügigkeit fördert“, sagt René Hurlemann vom Universitätsklinikum Bonn. Diesem Aspekt sind er und seine Kollegen nun weiter nachgegangen. Sie wollten konkret herausfinden, ob Oxytocin die Spendenbereitschaft für bestimmte Projekte unterschiedlich beeinflusst.

Die Wissenschaftler führten dazu Versuche mit insgesamt 172 Freiwilligen durch. Jeder Teilnehmer erhielt im Rahmen des experimentellen Ansatzes zehn Euro. Jedem stand es dabei frei, diese Summe für sich zu behalten oder alles beziehungsweise einen Teil zu spenden. Zwei Spendenprojekte standen dafür zur Auswahl: Ein ökologisches zur Regenwaldaufforstung im Kongo und ein soziales Vorhaben, mit dem die Lebensgrundlagen von Ureinwohnern im Kongogebiet verbessert werden sollten. Anhand von Speichelproben testeten die Forscher während des Versuchs den natürlichen Oxytocinspiegel der Probanden.

Oxytocin verschiebt die Prioritäten

„Da Projekte zur ökologischen Nachhaltigkeit auch immer eine soziale Dimension haben, vermuteten wir, dass Oxytocin generell die Spendenneigung für solche Vorhaben steigert“, berichtet Co-Autorin Nina Marsh. Doch die Ergebnisse zeichneten ein anderes Bild: Probanden, bei denen während des Experiments die Hirnanhangdrüse viel Oxytocin ausschüttete, spendeten großzügig für das soziale Projekt. Bei der ökologische Alternative blieb dieser Effekt allerdings aus: Ob viel oder wenig körpereigenes Oxytocin – die Spendenfreudigkeit für dieses Projekt änderte sich nicht.

Diesem Ergebnis gingen die Forscher anschließend durch einen zusätzlichen Versuch nach: Sie verabreichten einem Teil der Probanden über ein Nasenspray zusätzliches Oxytocin, zur Kontrolle bekam der andere Teil ein Placebo. „Das Muster wiederholte sich: Die Oxytocin-Gruppe spendete mit im Schnitt 4,50 Euro mehr als doppelt so viel für soziale Projekte wie die unbehandelten Teilnehmer“, berichtet Marsh. Bei den ökologischen Vorhaben schwand die Spendenbereitschaft durch die Oxytocin-Gabe hingegen: Während die Placebo-Probanden von ihren zehn Euro durchschnittlich immerhin 4,42 Euro für diese Projekte abgaben, geizten die Oxytocin-Behandelten mit nur 2,42 Euro.

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Ökologische Botschaften ziehen weniger

Weitere Ergebnisse untermauerten den Effekt: Die Forscher präsentierten den  Teilnehmern Kataloge mit verschiedenen Nahrungsmitteln und Kleidungsstücken, für die sie ihr Geld investieren sollten. Einer der Kataloge enthielt konventionell produzierte Artikel, ein zweiter war mit Produkten aus sozialer Produktion versehen und ein dritter zeigte ökologisch erzeugte Waren, bei denen etwa auf die Erhaltung der Artenvielfalt Wert gelegt wurde. Ergebnis: Die mit Oxytocin behandelte Gruppe wählte mehr sozial nachhaltig erzeugte Produkte aus als die Placebo-Teilnehmer. Sie war sogar bereit, dafür doppelt so viel Geld zu zahlen als für konventionelle Erzeugnisse.

Neben dem spannenden wissenschaftlichen Zusammenhang steckt den Forschern zufolge in dem Ergebnis auch eine ganz praktische Information für die Mobilisierung von Spendenbereitschaft: „Wenn für ökologische Projekte Unterstützung benötigt wird, sollte die soziale Botschaft des Vorhabens in den Vordergrund gestellt werden, um auch diejenigen Menschen zu erreichen, die erhöhte Oxytocin-Spiegel aufweisen“, so Hurlemanns.

Quellen:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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