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„Land Unter“ am Amazonas

Erde|Umwelt

„Land Unter“ am Amazonas
Amazonas-Hochwasser
Hochwasser am Amazonas (Foto: Jochen Schöngart/ National Institute for Amazon Research)

Der größte Fluss der Erde ist nicht nur die Lebensader des Amazonas-Regenwalds – er sorgt auch immer wieder für katastrophale Überschwemmungen. Jetzt enthüllt eine Studie: Solche schwerwiegenden Hochwasser-Ereignisse kommen heute fünfmal häufiger vor als noch vor rund 100 Jahren. Überschwemmungen, die früher nur alle 50 bis 60 Jahre vorkamen, wiederholen sich inzwischen alle paar Jahre, wie die Forscher berichten. Der Grund dafür ist eine Veränderung der großräumigen Luftströmungen über dem Amazonasbecken – und an diesen ist zumindest zum Teil der Klimawandel schuld.

Der Amazonas ist der mit Abstand wasserreichste Fluss der Erde – er liefert ein Fünftel des gesamten in die Ozeane strömenden Süßwassers. Gemeinsam mit seinen zahlreichen Nebenflüssen reicht sein Einzugsgebiet von der Ostseite der Anden bis an die Küste des Atlantiks. Damit ist dieses Gebiet auch ein wichtiger Akteur im Klimasystem der Erde: „Das Amazonasbecken und seine ausgedehnten Regenwälder bilden eines der bedeutendsten Zentren der tiefen atmosphärischen Zirkulation und des starken Regenfalls auf unserem Planeten“, erklären Jonathan Barichivich von der Universität von Südchile in Valdivia und seine Kollegen. Doch das typisch regenreiche Klima dieser grünen Lunge der Erde beginnt sich zu verändern. „Es gibt zunehmende Hinweise darauf, dass sich der Wasserkreislauf im Amazonasbecken seit den späten 1990er Jahren intensiviert hat, was häufigere hydrologische Extreme verursacht“, so die Forscher. „Vor allem die starken und anhaltenden Dürren der Jahre 2005, 2010 und 2015 im zentralen und südlichen Amazonasgebiet haben die Sorge geweckt, dass ein Trend zu mehr Trockenheit bestehen könnte.“

Fünfmal häufigere Überschwemmungen

Was an diesen Befürchtungen dran ist, haben Barichivich und sein Team nun mithilfe von Pegeldaten am Amazonas und an der Mündung des Rio Negro in den Amazonas im brasilianischen Manaus ermittelt. Für ihre Studie werteten sie die Pegelstände des Rio Negro in der Zeit von 1903 bis 2015 und weiter oben am Amazonas von 1970 bis 2015 aus. Offiziell gilt an der Messtation von Manaus ein Pegelstand ab 29 Metern als Hochwasser und ein Pegel von 18,5 Meter und weniger als Trockenperiode. „Dadurch konnten wir erstmals die langfristigen Veränderungen der hydrologischen Extreme im Amazonasgebiet dokumentieren und quantifizieren“, erklären die Forscher. „Das ermöglicht es auch, die treibenden Mechanismen hinter diesen Entwicklungen zu identifizieren.“

Die Auswertungen ergaben: „Zwar hat die Zunahme von Trockenperioden viel Aufmerksamkeit erhalten, aber was wirklich aus den Langzeit-Pegeldaten heraussticht, ist die zunehmende Häufigkeit und Intensität von Hochwassern“, berichtet Barichivich. „Während der Studienperiode hat sich die Überschwemmungshäufigkeit um das Fünffache erhöht.“ Während es Anfang des 20 Jahrhunderts nur durchschnittlich ein Hochwasser alle 20 Jahre gab, ereignet sich seit etwa dem Jahr 2000 eine Überschwemmung etwa alle vier Jahre. Besonders auffallend sei dieser Trend zu mehr Hochwasser seit Anfang der 1970er Jahre, so die Forscher. In jüngster Zeit werden Hochwasser am Amazonas sogar fast schon zur Regel: „Mit nur wenigen Ausnahmen hat es in jedem Jahr von 2009 bis zum Ende unserer Studienzeit 2015 in jedem Jahr extreme Überschwemmungen im Amazonasgebiet gegeben“, sagt Barichivich. Insgesamt habe sich die Frequenz extremer hydrologischer Ereignisse seit 2010 verdoppelt.

Doch nicht nur das: Die Hochwasser am Amazonas sind auch stärker geworden. „Die Überschwemmungen der Jahre 2009 und 2012 waren in Bezug auf ihre Dauer und Schwere ein historischer Präzedenzfall“, berichten die Forscher. „Eigentlich sollten Hochwasser dieser extremen Intensität eine Wiederholungswahrscheinlichkeit von 50 bis 60 Jahren haben – aber sie wiederholten sich nach nur drei Jahren.“ Im Gegensatz dazu hat sich die Häufigkeit und Schwere der Trockenperioden im Amazonasgebiet kaum verändert, wie die Wissenschaftler berichten. Die schwersten Dürren, gemessen über die Pegeltiefstände des Amazonas und Rio Negro, ereigneten sich 1906, 1963 und 2010. „Das passt zur Wiederholwahrscheinlichkeit dieser Ereignisse von 50 bis 60 Jahren“, so Barichivich und seine Kollegen.

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Veränderung der äquatorialen Zirkulation

Den Grund für die zunehmenden Überschwemmungen am Amazonas sehen die Forscher in großräumigen Veränderungen des Klimas in der Region: „Dieser dramatische Anstieg der Hochwasser-Ereignisse wird verursacht durch Veränderungen in den umgebenden Meeren“, erklärt Co-Autor Manuel Gloor von der University of Leeds. „Wegen der starken Erwärmung des atlantischen Ozeans und einer Abkühlung des Pazifiks in der gleichen Zeit sehen wir einen Wandel in der sogenannten Walker-Zirkulation.“ In dieser parallel zum Äquator wirkenden Atmosphärenströmung steigt warme, feuchte Luft im Westpazifik in die Höhe, wird nach Osten transportiert und sinkt vor der Westküste Mittel- und Südamerikas wieder ab. Eine zweite kleinere, Zelle wird von aufsteigender Warmluft an der Atlantikküste Südamerikas gespeist und transportiert diese Luft nach Westen. Wie die Wissenschaftler feststellten, hat sich diese Zirkulation in den letzten Jahrzehnten verstärkt, wodurch auch die Passatwinde zugenommen haben.

Beides zusammen trägt dazu bei, die Niederschläge über dem Amazonasgebiet zu verstärken. „Der Effekt resultiert in einer stärkeren Konvektion und schweren Regenfällen über dem zentralen und nördlichen Teil des Amazonasbeckens“, erklärt Gloor. Die dort zunehmenden Niederschläge überdecken einen Trend zu mehr Trockenheit an den südlichen Rändern des Amazonasbeckens, den die Forscher vor allem den deutlichen Veränderungen der Landnutzung zuschreiben. In welchem Maße der anthropogene Klimawandel an den Veränderungen der Walker-Zirkulation und den Regenfällen im Amazonasgebiet schuld ist, ist noch nicht eindeutig geklärt. Allerdings geht die Erwärmung des Atlantiks wahrscheinlich zumindest teilweise auf das Konto der globalen Erwärmung. Denn wie die Wissenschaftler berichten, hat sie zu einer Verschiebung der südhemisphärischen Windgürtel nach Süden geführt. Das wiederum ermöglicht heute den vermehrten Transport warmen Wassers aus dem Indischen Ozean um die Spitze Afrikas herum in den tropischen Atlantik – und trägt so zu dessen Erwärmung bei.

Quelle: Jonathan Barichivich (Universidad Austral de Chile, Valdivia) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.aat8785

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