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Landwirtschaftlich geprägtes Unkraut

Pflanzen

Landwirtschaftlich geprägtes Unkraut
Dieses Bild verdeutlicht, wie stark Wasserhanf (rechts) die Erträge von Mais verringern kann. © Julia Kreiner, Universität von British Columbia.

Ans Wuchern auf dem Acker angepasst: Eine Studie verdeutlicht am Beispiel des nordamerikanischen Raufrucht-Wasserhanfs, wie die Landwirtschaft selbst dazu beiträgt, dass sich aus Wildpflanzen Unkräuter entwickeln. Die Forscher konnten durch Vergleiche von historischen Herbarien-Exemplaren mit heutigen Formen dokumentieren, dass der Selektionsdruck zu Mutationen in mehreren hundert Genen der Pflanze geführt hat. Sie vermitteln ihr bessere Toleranz gegenüber Trockenheit, ein beschleunigtes Wachstum und Herbizidresistenz. Die Studie könnte grundlegend zum Verständnis beitragen, wie harmlose Wildpflanzen zu Problemen für die Landwirtschaft avancieren, sagen die Wissenschaftler.

Um die Weltbevölkerung mit Nahrung zu versorgen, müssen enorme Landflächen der Erde in produktive, vom Menschen geprägte Flächen verwandelt werden: Die intensiv bewirtschafteten Monokulturen werden in den Pflanz- und Erntezeiten stark bearbeitet, gedüngt und zusätzlich behandelt. Denn um möglichst hohe Erträge zu sichern, dürfen sich neben Schädlingen und Krankheitserregern auch keine Konkurrenz-Gewächse unter den Nutzpflanzen breit machen. Es liegt nahe, dass diese Eingriffe einen starken Selektionsdruck auf einige der unerwünschten Pflanzen ausgeübt haben. Um Mechanismen der Anpassung dieser sogenannten Unkräuter auf die Spur zu kommen, hat sich ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Biologie in Tübingen nun mit einem Gewächs befasst, das in Nordamerika vor allem im Mais- und Sojaanbau für Probleme sorgt.

Vergleich mit Herbarien-Exemplaren

Der Raufrucht-Wasserhanf (Amaranthus tuberculatus) war dort nicht immer ein Problem. Ursprünglich wuchs er in der Nähe von Seen und Flüssen, doch dann begann er sich immer mehr in landwirtschaftlichen Kulturen auszubreiten. Vor allem durch seine Widerstandskraft gegenüber Unkrautvernichtungsmitteln lässt er sich dort nun kaum noch eindämmen. Um aufzuklären, wie sich die problematische Pflanze an die Landwirtschaft angepasst haben könnte, haben die Forscher das Potenzial der traditionellen Botanik genutzt: Sie gewannen und analysierten Erbgut von mehr als 100 Wasserhanf-Exemplaren aus Herbarien, die bis ins Jahr 1820 zurückreichen. Die gewonnenen Daten konnten sie dann mit Sequenzierungs-Ergebnissen von 187 Wasserhanf-Proben von modernen Farmen und benachbarten Gebieten vergleichen.

So konnten die Forscher die Entwicklungsgeschichte des Wasserhanfs in Abhängigkeit vom Lebensraum über zwei Jahrhunderte hinweg untersuchen. Wie sie berichten, zeigte sich grundsätzlich, dass die besonders „unkrautartige“ Version des Raufrucht-Wasserhanfs sich vom Westen in den Osten Nordamerikas ausgebreitet hat. Dabei tauschten die Pflanzen Teile des Erbguts mit verschiedenen lokalen Populationen aus, zeichnete sich in den genetischen Untersuchungsergebnissen ab. Wie die Wissenschaftler erklären, konnte sich der Wasserhanf dadurch offenbar an die jeweils unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Landwirtschaft in den verschiedenen Regionen besser anpassen.

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„Unkrautige“ Anpassungen zeichnen sich ab

Das Team entdeckte im Erbgut der heutigen Wasserhanf-Pflanzen dann schließlich Mutationen in mehreren hundert Genen, die sich offenbar im Zuge des Selektionsdrucks durch die Landwirtschaft verbreitet haben. Besonders häufig kamen demnach Mutationen in Erbanlagen vor, die bekanntermaßen mit Toleranz gegen Trockenheit, schnellem Wachstum und Herbizidresistenz zusammenhängen. „Während der Wasserhanf ursprünglich in der Nähe von Seen und Flüssen gewachsen ist, ermöglichten es die genetischen Veränderungen der Pflanze, auf trockeneren Böden zu überleben und schnell zu wachsen, um Nutzpflanzen zu verdrängen“, erklärt Co-Autorin Sarah Otto von der University of British Columbia in Vancouver.

Es zeigte sich, dass einige genetische Variationen auch bereits bei manchen historischen Exemplaren zu finden waren. Bei den Hebizidresistenzen, die mittlerweile vor allem den „Erfolg“ der Pflanze prägen, handelt es sich aber offenbar mehrheitlich um neuentstandene Mutationen: Fünf von sieben Herbizidresistenz-Genen aus neueren Proben waren in den historischen Exemplaren nicht feststellbar. „Bei der Sequenzierung der Pflanzengene erwiesen sich Herbizide als einer der stärksten landwirtschaftlichen Filter, die bestimmen, welche Pflanzen überleben und welche absterben“, sagt Erst-Autorin Julia Kreiner von der University of British Columbia in Vancouver. „Die genetischen Varianten, die dazu beitragen, dass die Pflanze in modernen landwirtschaftlichen Umgebungen gut gedeiht, sind seit der Intensivierung der Landwirtschaft in den 1960er Jahren bemerkenswert schnell auf eine hohe Häufigkeit angestiegen“, so Kreiner.

Co-Autor Detlef Weigel vom Max-Planck-Institut für Biologie in Tübingen betont die grundlegende Bedeutung der Studie: „Sie wurde zwar an nordamerikanischen Pflanzen durchgeführt, aber wir haben in Europa ähnliche Probleme mit Herbizidresistenzen. Unsere Studie kann daher als Blaupause dienen, um auch in Europa die Umwandlung von harmlosen Wildpflanzen in problematisches Unkraut besser zu verstehen“, sagt der Wissenschaftler. Wright ergänzt dazu: „Die Übertragung dieser Forschung auf andere Maßstäbe und Arten könnte nun unser Verständnis dafür erweitern, wie die Landwirtschaft und der Klimawandel die Evolution von Pflanzen beschleunigen“. Abschließend hebt er dabei den Wert der Arbeit der Botaniker der Vergangenheit hervor: „Unsere Ergebnisse unterstreichen, welch enormes Potenzial in der Untersuchung historischer Genome steckt, um die Anpassung von Pflanzen zu verstehen“, so Wright.

Quelle: University of British Columbia, Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.abo7293

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