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Lebensreise: Gazelle legt über 18.000 Kilometer zurück

Erde|Umwelt

Lebensreise: Gazelle legt über 18.000 Kilometer zurück
Gazelle
Eine mongolische Gazelle (Procapra gutturosa) mit Sender. © Senckenberg/ Dejid

Vom Erklimmen schneebedeckter Hügel, über das Überqueren tosender Flüsse bis hin zur Rückkehr in heimische Gefilde – die GPS-Daten eines besenderten Gazellen-Weibchens lesen sich wie ein abenteuerlicher Reisebericht. Über einen Zeitraum von fünf Jahren legte das Tier die Strecke einer halben Erdumrundung in der mongolischen Steppe zurück, wie die Forschenden berichten.

Tiere, die in Regionen mit schnell und unvorhersehbar wechselnden Umweltbedingungen leben, haben eine Reihe von Anpassungen entwickelt, um darauf zu reagieren. Einige Arten absolvieren dabei nomadische Wanderungen, bei denen sie enorme Entfernungen zurücklegen können. Im Gegensatz zu beispielsweise Zugvögeln folgen die Bewegungen dieser tierischen Nomaden allerdings keinen regelmäßigen Mustern und sie kehren meist nicht zu bestimmten Ursprungsorten wie Brutstätten oder Kalbungsplätzen zurück.

Gazellenreise über fünf Jahre aufgezeichnet

Eine der nomadischen Tierarten ist die mongolische Gazelle (Procapra gutturo). Sie lebt in den Steppen der Mongolei, die von kaltem Kontinentalklima und unbeständigen Ressourcen geprägt sind. Bisher war jedoch unklar, wie weit diese Gazellen im Laufe längerer Zeitabschnitte wandern, denn die gängigen batteriebetriebenen GPS-Tracker halten maximal wenige Jahre. Doch dies hat sich nun dank eines mit Solarzellen ausgerüsteten GPS-Halsbands geändert: „Wir konnten die außergewöhnliche fünfjährige Reise einer einzelnen mongolischen Gazelle der Gattung Procapra gutturosa aufzeichnen“, berichten Nandintsetseg Dejid vom Biodiversität und Klimaforschungszentrum in Frankfurt und ihre Kollegen.

Im Oktober 2014 statteten sie 15 mongolische Gazellen mit den neuen GPS-Halsbändern aus. Bei einer dieser Gazellen blieb der GPS-Tracker besonders lange aktiv: Knapp fünf Jahre lang meldete er stündlich die Positionsdaten des Tieres. Da Gazellen höchstens 9,5 Jahre alt werden und das Anlegen des GPS-Trackers im Erwachsenalter erfolgte, haben die Wissenschaftler das Tier damit den größten Teil seines Lebens verfolgen können.

Abenteuer über Schneelandschaften und Flüsse

Die Trackingdaten enthüllten, dass die Gazelle eine Reise von mehr als mehr als 18.000 Kilometern zurückgelegte und dabei die östliche Mongolei von Norden nach Süden durchquerte, was ungefähr der Hälfte des Äquatorialumfangs der Erde entspricht, wie das Forschungsteam berichtet. „Ihre Reise war nicht nur wegen der schieren Länge außergewöhnlich, sondern auch, weil die Gazelle häufig Hunderte von Kilometern in neue und unbekannte Regionen vorstieß“, erklären Dejid und ihr Team.

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Auf einer langen Reise nach Norden überquerte sie zwei große zugefrorene Flüsse, bis sie nahe der russischen Grenze, schneefreies Gebiet erreichte. Einige Zeit später ging es über eine andere Route zurück Richtung Süden, wo ihr die Überquerung der nun wasserführenden Flüsse Schwierigkeiten bereitete. Mehrmals während ihrer Wanderung erreichte die Gazelle auch den Grenzzaun Chinas, bevor sie schließlich im letzten Jahr recht sesshaft wurde und das GPS-Gerät schließlich ihren Tod im August 2019 übermittelte. Das Halsband des Tieres wurde in der Jurte eines Hirten gefunden, der berichtete, dass die Gazelle offenbar an einem Madenbefall an ihrer Hüfte gestorben war.

Weite Wanderungen als Überlebensstrategie

Die auf ihrer Lebensreise gesammelten Daten liefern nun erstmals ein umfassendes Bild der Wanderungen eines solchen nomadischen Tieres. Sie bestätigen, dass die Gazellen anders als saisonal ziehende Tierarten nicht nur zwischen festen Futter- oder Aufzuchtgebieten wechseln, sondern ein eher von den Umweltbedingungen geleitetes Migrationsmuster zeigen. „Ihre unregelmäßigen Bewegungen werden am deutlichsten, wenn man die Gebiete vergleicht, in denen sie sich jedes Jahr während der Winter- und Kalbungszeit aufhielt“, erklären die Forschenden. Zum Überwintern und Austragen ihrer Nachkommen suchte sie nur selten denselben Ort auf, sondern eher verschiedene Plätze, die zum Teil 440 Kilometer voneinander entfernt lagen.

Doch einige Muster gibt es offenbar doch in der Nomadenwanderung der Gazellen: Sie suchen während der Vegetationsperiode meist Gebiete mit guten Futterstellen auf und versuchen während des Winters Areale mit tiefem Schnee zu vermeiden, wie Dejid und ihr Team erklären. Da sie außerdem zweimal in dasselbe Überwinterungsgebiet und dreimal in dasselbe Schutzgebiet zurückkehrte, vermuten die Forschenden, dass Gazellen sich möglicherweise an günstige Gebiete erinnern und diese gezielt wieder aufsuchen.

Nach Ansicht der Wissenschaftler verdeutlicht die mehrjährige Reise der Gazelle, wie wichtig es für nomadische Huftiere ist, durchlässige Landschaften durchwandern zu können. Dies ermöglicht es den Tieren, Nahrungsressourcen zu finden und lokalen Wetterextremen zu entgehen. „Das zeigt wiederum, dass es keine unüberwindbaren Barrieren geben sollte, welche die nördlichen und südlichen Regionen der östlichen Steppe voneinander trennen“, sagt Müller: „Weitere Langzeitstudien sind notwendig, um die Navigationsmechanismen, die Gruppenkommunikation und die Zufluchtsorte dieser Tiere besser zu verstehen und ihnen so einen zuverlässigen Schutz zu bieten“

Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen; Fachartikel: Ecology, doi: 10.1002/ecy.3660

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