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Leichen-Mikroben: Uhren für die Forensik

Erde|Umwelt

Leichen-Mikroben: Uhren für die Forensik
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Die Nachweismethoden der Forensik werden immer ausgfeilter. (Foto: iStock/Rich Legg)
Das Ende wird zum Startsignal: Nach dem Tod beginnen Myriaden von Mikroben einen leblosen Körper zu zersetzen. Diese Welt der Leichen-Mikroben haben US-Forscher nun mit bisher unerreichter Genauigkeit unter die Lupe genommen. Ihnen zufolge könnten ihre Ergebnisse für die moderne Forensik interessant sein: Sie entdeckten bestimmten Muster bei der Entwicklung der Mikrobengemeinschaften während des Ablaufs der Verwesung, anhand derer sich die Todeszeit bestimmen lässt.

Überall um uns, auf uns und auch in uns wimmelt es von Mikroorganismen. Einige von ihnen können Körpergewebe abbauen, weshalb sie unser Immunsystem fortwährend in Schach halten muss. Doch wenn durch den Tod diese Kontrollfunktion wegfällt, gibt es kein Halten mehr: Der Körper wird zum Schlaraffenland für eine illustre Verwesungsgesellschaft, die das Gewebe nun Schritt für Schritt zersetzt und dabei berüchtigte Abbaustoffe bildet, wie beispielsweise die stinkende Substanz mit dem bezeichnenden Namen Cadaverin. Viele solcher Aspekte der Verwesung sind bereits bekannt, das gilt aber nicht für Details der Zusammensetzung der verantwortlichen Mikrobengemeinschaften und ihre Entwicklungsprozesse. Diesem Forschungsthema haben sich nun Forscher von insgesamt elf US-amerikanischen Forschungseinrichtungen gewidmet.

Realitätsnahe Verwesungs-Experimente

Bei den Forschungsarbeiten war offenbar ein starker Magen angesagt: Die Wissenschaftler untersuchten die Aspekte der Verwesung nicht nur an Mäuse-Kadavern, sondern auch an vier menschlichen Leichen, die von den betreffenden Personen zu Lebzeiten für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt worden waren. Die Leichen wurden in einem speziellen Forschungsgelände Umweltbedingungen ausgesetzt: Zwei im Winter für 143 Tage und und zwei im Frühjahr für 82 Tage. Von den Leichen und Mäuse-Kadavern sowie vom Erdreich, auf dem sie lagen, entnahmen die Forscher regelmäßig Proben. Sie wurden modernen genetischen Analysen unterzogen, um die Mikroben-Zusammensetzungen zu charakterisieren beziehungsweise um festzustellen, welche Gene bei den zersetzenden Mikroben besonders aktiv waren. „Fortschritte in genetischen Technologien ermöglichen es nun, Muster in großen vielfältigen Populationen von Mikroorganismen zu finden, wie es vor ein paar Jahren noch nicht möglich war“, erklärt Rob Knight von der Univerity of California in San Diego.

Den Ergebnissen zufolge „ticken“ einige Teile der Mikrobengemeinschaft in einer vorhersagbaren Weise im Anschluss an den Tod: Sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen geben charakteristische Muster der Entwicklung Hinweise auf den Zeitpunkt des Todes, mit einer Ungenauigkeit von bis zu zwei Tagen in einen Zeitraum von 25 Tagen. Außerdem konnten die Forscher zeigen, dass eine Leiche die Mikrobenzusammensetzung im umgebenden Boden in markanter Weise verändert. Dadurch ist der ursprüngliche Lageort nachweisbar, auch wenn der Körper später von ihm entfernt wurde.

Mögliche Alternative zur Schmeißfliegen-Methode

Die Genauigkeit der Zeitbestimmung durch die Mikrobenentwicklung lässt sich mit derjenigen durch die sogenannte Schmeißfliegen-Methode vergleichen, sagen die Forscher.  Dabei wird das Alter einer Leiche anhand der Entwicklungsstadien der Larven von Fliegen bestimmt, die an Kadavern ihre Eier abgelegen. Doch der Einsatz dieser Methode ist nicht immer möglich: Manchmal haben Fliegen keinen Zugang zu einer Leiche oder sie sind beispielsweise im Winter nicht aktiv. Mikrobielle Prozesse laufen aber dennoch weiter ab und lassen sich einschätzen, sagen die Forscher. „Wir sehen in unseren Ergebnissen großes Potenzial für die Anwendung in der Forensik“, sagt Jessica Metcalf von der University of Colorado in Boulder. „In Kombination mit anderen Nachweismethoden könnten unsere Erkenntnisse helfen, Verbrechen aufzuklären“, so die Forscherin.

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Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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