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Macht Toxoplasmose jähzornig?

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Macht Toxoplasmose jähzornig?
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Elektronenmikroskopische Aufnhame einer Toxoplasmose-Zyste im Gehirn einer Maus. (Credit: David Ferguson)
Plötzlich werden die Betroffenen oft unbegründet fuchsteufelswild und aggressiv: Hinter dem sogenannten Wutsyndrom könnte in einigen Fällen eine latente Infektionen mit dem Parasiten Toxoplasma gondii stecken, lässt eine statistische Studie vermuten. Betroffene sind demnach doppelt so häufig latent mit dem Erreger infiziert als der Durchschnitt. Frühere Studien haben bereits nahegelegt, dass Toxoplasmen das Verhalten von Tier und Mensch beeinflussen können.

Zorn ist eine normale Gefühlsregung – doch bei manchen Menschen überschreitet die Reizbarkeit weit das gesunde Maß: Allein in den USA sind Schätzungen zufolge 16 Millionen Menschen vom Wutsyndrom (Intermittent explosive disorder, IED) betroffen. Sie können ihre spontanen Wutausbrüche kaum kontrollieren, was neben zwischenmenschlichen Problemen auch zu körperlicher Gewalt führen kann. Zu den Ursachen des pathologischen Jähzorns gibt es viele offene Fragen, denen sich die Forscher um Emil Coccaro von der University of Chicago derzeit widmen. Es erschien dabei möglich, dass neben rein psychischen Faktoren auch Infektionen eine Rolle spielen könnten, die sich auf das Gehirn auswirken. In Frage kam dabei klar: Toxoplasma gondii.

Ein Parasit mit Psycho-Effekt?

Es handelt sich um einen ausgesprochen weit verbreiteten Erreger: Etwa 30 Prozent der Menschen infizieren sich im Laufe des Lebens mit diesem mikroskopischen Parasiten. Überträger sind Katzenexkremente, belastetes Wasser oder zu schwach erhitztes Fleisch. In der Regel verläuft die Infektion harmlos und unbemerkt. Nur immunschwachen Personen kann sie gefährlich werden und bei Schwangeren ist Vorsicht geboten: Die Infektion kann zum Tod oder Schädigungen des Ungeborenen führen.

Es ist allerdings auch bekannt, dass sich der Erreger dauerhaft im Gehirn festsetzen kann. Hinweise aus früheren Studien ließen bereits vermuten, dass es einen Zusammenhang mit solchen latenten Toxoplasmose-Infektionen und psychischen Störungen beim Menschen geben könnte. Dies scheint plausibel, denn von Mäusen sind Effekte auf das Verhalten klar belegt: Ist eine Maus infiziert, verliert sie die Scheu vor Katzen. Die Parasiten machen ihren Zwischenwirt Maus damit zu einer Marionette ihrer Fortpflanzung: Unvorsichtige Nager sind ein idealer Köder, um in den Hauptwirt Katze zu gelangen. Zur Vollendung seines vollen Lebenszyklus braucht der Parasit nämlich den Katzendarm, andere Tiere dienen nur als Zwischenwirte.

Mögliche Verknüpfung mit dem Wutsyndrom

Für ihre Studie untersuchten die Forscher nun insgesamt 358 Probanden. Bei einem Drittel von ihnen lag die Diagnose Wutsyndrom (IED) vor, ein Drittel diente als psychisch unauffällige Kontrolle und ein weiteres Drittel besaß psychische Probleme wie Depressionen, aber kein IED. Bei allen Probanden führten die Forscher Tests auf Infektionen mit Toxoplasma gondii durch. Ergebnis: Die IED-diagnostizierte Gruppe war zu 22 Prozent latent mit den Erregern infiziert und bei der zweiten psychisch auffälligen Gruppe waren es 16 Prozent. Diese Befunde standen im klaren Kontrast zu den Ergebnissen bei der gesunden Kontrollgruppe: Nur 9 Prozent wurden positiv auf Toxoplasma gondii getestet.

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Die Ergebnisse lassen damit vermuten, dass es Zusammenhänge zwischen der Infektion und psychischen Auffälligkeiten gibt, die offenbar vor allem beim Wutsyndrom deutlich werden. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass eine latente Infektion mit dem Parasiten die Chemie des Gehirns in einer Weise verändern kann, die das Risiko von aggressivem Verhalten erhöht“, resümiert Coccaro. Die Forscher betonen allerdings, dass es sich bisher nur um statistische Hinweise handelt, die überprüft werden müssen. „Wir wissen bisher nicht, ob diese Beziehung tatsächlich kausal ist“, so Coccaro. Außerdem heben die Forscher das Teilergebnis hervor, dass nicht alle Toxoplasmose positiv getesteten Personen Probleme mit einem gesteigerten Aggressionsverhalten haben. Weitere Untersuchungen sind jetzt gefragt, um die möglichen Zusammenhänge weiter aufzuklären. „Experimentelle Studien könnten zeigen, ob die medikamentöse Behandlung einer latenten Toxoplasmose-Infektion Aggressivität reduzieren kann“, sagt Coccaro.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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