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„Man braucht keinen Zellkern, um glücklich zu sein“

Interview mit einem Menschenfreund

„Man braucht keinen Zellkern, um glücklich zu sein“
Das Bakterium Escherichia coli über Lebensentwürfe, Mutationen und Fortpflanzungstechniken. Herzlichen Glückwunsch! Deine Artgenossen im Labor von Richard Lenski haben soeben die 50000. Generation hervorgebracht! Wie, was, wer? Das „E. coli Long Term Experimental Evolution Project“ an der Michigan State University. Ein berühmtes Langzeit-Experiment. Soso. Und was wird dort veranstaltet? Die Forscher züchten dort seit 1988 ununterbrochen Escherichia-coli-Kulturen und analysieren, wie sich euer Erbgut verändert. Anfangs waren die 12 Stämme identisch, aber weil ihr euch mehrmals

Wie, was, wer?

Das „E. coli Long Term Experimental Evolution Project“ an der Michigan State University. Ein berühmtes Langzeit-Experiment.

Soso. Und was wird dort veranstaltet?

Die Forscher züchten dort seit 1988 ununterbrochen Escherichia-coli-Kulturen und analysieren, wie sich euer Erbgut verändert. Anfangs waren die 12 Stämme identisch, aber weil ihr euch mehrmals täglich teilt .

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Ah, diese Geschichte! Ja, ich habe davon gehört. Die Kollegen sind angewiesen, da mitzuspielen, und lassen sich von Zeit zu Zeit ein paar Mutationen einfallen. Einige haben zum Beispiel irgendwann angefangen, sich von Citrat zu ernähren, was sie ursprünglich nicht konnten – jedenfalls nicht bei gleichzeitiger Anwesenheit von Sauerstoff. Andere haben ihr Genom ein bisschen verkleinert, wieder andere haben ihre Mutationsrate erhöht.

Die Ergebnisse sind sensationell! Das Projekt hat wertvolle Erkenntnisse darüber erbracht, wie die Evolution funktioniert.

Kinderkram! Eure Wissenschaftler sind ziemlich schnell aus dem Häuschen, wenn was passiert, was sie noch nicht kannten. Was glaubt ihr denn, was wir schon so alles erlebt haben? Wir sind zwei Milliarden Jahre alt. Wir haben schon Krisen und Klimakatastrophen überstanden, die könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Aber ihr habt uns überhaupt nie richtig verstanden. Ihr seht uns als Krankheitserreger, bekämpft uns mit Antibiotika.

Aber ihr könnt ja tatsächlich unangenehme Krankheiten auslösen, Harnwegsinfektionen zum Beispiel. Und wenn ihr im Trinkwasser auftaucht, kriegen wir Durchfall.

Das ist doch nicht unsere Schuld. Nein, wir sind im Prinzip weder gut noch böse – genauso wie die Natur an sich. Oder, wenn man so will, wir sind beides. Wir sind lebenswichtig für eure Darmflora. Wir organisieren ja eure ganze Verdauung, gemeinsam mit den Kollegen. Ohne uns würdet ihr verhungern! Wenn wir alle Kollegen mitrechnen, dann leben auf jedem einzelnen Menschen 100 Billionen Bakterien. Ihr seid eines unserer Lieblingsbiotope! Aber klar, wir können euch auch gefährlich werden. Ich sag mal so: Wir tun es ungern. Lieber wäre uns, ihr würdet euch öfter mal ein Beispiel an uns nehmen!

Wie bitte? Ihr seid die primitivsten Lebewesen überhaupt. Ihr habt nicht mal einen Zellkern.

Typisch menschliche Arroganz! Man braucht keinen Zellkern, um glücklich zu sein. Die so genannten höheren Organismen werden da gewaltig überschätzt.

Und was könnten wir konkret von euch lernen?

Ihr könntet euch einiges von uns abschauen. Anpassungsfähigkeit zum Beispiel: Wir kommen überall klar, wir ertragen extreme Hitze und Kälte und die unterschiedlichsten Nahrungsangebote. Wir waren schon globalisiert, da kanntet ihr das Wort noch gar nicht. Oder lebenslanges Lernen: ist für uns kein Schlagwort, das praktizieren wir schon immer. Und nicht zuletzt unsere Methode, durch Gentransfer Erbmaterial zu tauschen: Die ist deutlich effektiver als eure.

Aber unsere macht mehr Spaß.

Na, wenn ihr meint. Uns kommt es ein bisschen umständlich vor. Aber gut: Wir können ja abwarten, wer von uns den anderen überlebt, einverstanden?

GESPRÄCH: MARTIN RASPER

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