Neurochirurgen haben erstmals Myelin-produzierende Zellen in geschädigte Hirnareale einer Patientin übertragen, die an Multipler Sklerose (MS) leidet. Bei dieser Nervenerkrankung wird die isolierende Myelinhülle von Nervenzellen durch eine Autoimmunreaktion zerstört. Wie das Fachblatt New Scientist berichtet, geht es den Wissenschaftlern der Yale School of Medicine dabei zunächst um Sicherheitsaspekte bei diesem neuen Verfahren.
Wie die Plastikisolierung einen Kupferdraht, so umhüllt eine isolierenden Schicht aus Myelin die Fortsätze von Nervenzellen. Im peripheren Nervensystem wird diese Schicht von den Schwann-Zellen gebildet, im Zentralnervensystem übernehmen andere Gliazellen diese Aufgabe. Bei der MS degeneriert die Myelinschicht in Gehirn und Rückenmark, so dass die Weiterleitung von Nervenimpulsen gestört ist.
Timothy Vollmer und seine Mitarbeiter wollen durch Transplantation Myelin-produzierender Zellen in das Gehirn von MS-Patienten geschädigte Nerven regenerieren. Dazu entnahmen sie Schwann-Zellen von Nerven im Fuß einer Patientin und übertrugen sie in deren Gehirn. In Tierversuchen hatte man bereits nachgewiesen, dass solche verpflanzten, körpereigenen Zellen auch an ihrem neuen Ort Myelin produzierten. In sechs Monaten soll anhand einer Gehirnbiopsie überprüft werden, ob der erste derartige Eingriff am Menschen erfolgreich war. Danach sind weitere klinische Studien geplant.
MS ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems, die im Alter zwischen 20 und 40 Jahren beginnt. Im Verlauf kommt es zu Störungen koordinierter Bewegungen, Lähmungen sowie Sprach- und Sehstörungen. Eine Behandlung der Ursache gibt es bislang nicht.
Joachim Czichos