Um nun die verantwortliche Hirnregion zu identifizieren, verglichen Jarvis und seine Kollegen zwei wandernde Singvogelarten, die Gartengrasmücke und das Rotkehlchen, mit zwei nicht wandernden Arten, dem Zebrafinken und dem Kanarienvogel. Die Forscher beleuchteten die Vögel mit künstlichem Mondlicht und überprüften danach in ihrem Gehirn die Aktivität zweier Gene mit Namen ZENK und c-fos. Eine hohe Aktivität zeigte den Wissenschaftlern, dass die entsprechende Hirnregion ebenfalls gerade in Benutzung war.
Die Forscher entdeckten, dass bei den mit Mondlicht bestrahlten Zugvögeln ein bestimmter Hirnbereich, den sie Cluster N nannten, auffallend aktiv war. Wurden die Vögel dagegen Tageslicht ausgesetzt, zeigte sich keine Aktivität. Ebenfalls inaktiv war der Cluster N bei den nicht wandernden Singvögeln ? unabhängig von der Art des Lichts. Um zu untersuchen, ob die Aktivität dieses Bereichs tatsächlich von einem visuellen Reiz abhängt, bedeckten die Forscher die Augen der nächtlichen Wandervögel: Daraufhin blieb der Cluster stumm.
Der Bereich Cluster N scheint damit tatsächlich speziell für die Nachtsicht bestimmter Singvögel verantwortlich zu sein, erklärt Jarvis. Er liegt in der Nähe eines bereits bekannten Informationswegs vom Auge ins Gehirn, an dem auch der so genannte visuelle Wulst beteiligt ist. Weitere Studien sollen nun zeigen, ob der Cluster N tatsächlich an der Orientierung der Vögel und damit an ihren beeindruckenden nächtlichen Flugkünsten beteiligt ist.
Erich Jarvis (Duke-Universität, Durham) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1073/pnas.0409575102