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Neue Bilanz des grönländischen Eisverlusts

Erde|Umwelt

Neue Bilanz des grönländischen Eisverlusts
Grönlandeis
Schmelzwasserfluss auf dem grönländischen Eis (Bild: Ian Joughin)

Grönland ist das zweitgrößte Eisreservoir der Erde, doch seine Eismassen schrumpfen, wie nun eine neue Bilanz des grönländischen Eisverlusts bestätigt. Demnach hat Grönland seit 1992 3,8 Billionen Tonnen Eis verloren – das entspricht einem Meeresspiegelanstieg um 10,6 Millimeter. Die jährliche Abtaurate ist der Studie zufolge in den letzten 30 Jahren von 33 Milliarden auf 254 Milliarden Tonnen Eis angestiegen und hat sich damit um das Siebenfache beschleunigt. Diese Werte liegen am oberen Rand der Prognosen des Weltklimarats IPCC und könnten die Meeresspiegel gemeinsam mit anderen Quellen um 67 Zentimeter bis zum Ende des Jahrhunderts ansteigen lassen, wie die Forscher berichten.

Der bis zu drei Kilometer dicke Eispanzer über Grönland galt lange als Teil des “ewigen Eises”. Doch inzwischen mehren sich die Hinweise darauf, dass selbst das kalte Innere dieser arktischen Rieseninsel gegenüber der globalen Erwärmung nicht mehr immun ist. Aufnahmen von Flugzeugen und Satelliten zeigen, dass sich im Sommer auf der Oberfläche der Eisflächen immer mehr Schmelzwassertümpel bilden. Gleichzeitig führt die Eisschmelze dazu, dass sich auch im Eis und unter den Gletschern flüssiges Wasser sammelt und dass die Küstengletscher Grönlands inzwischen schneller in Richtung Meer fließen als noch vor 50 Jahren. Durch diese Prozesse fördert die grönländische Eisschmelze auch den Anstieg des Meeresspiegels: “Der grönländische Eisschild enthält genug Wasser, um die globalen Meeresspiegel um insgesamt 7,40 Meter zu erhöhen”, erklären Andrew Shepherd von der University of Leeds und sein Team.

3,8 Billionen Tonnen Eis weniger

Wie es um den Eisverlust Grönlands aktuell bestellt ist, haben nun Shepherd und 95 Kollegen von mehr als 50 Organisationen und Forschungseinrichtungen in einer aktuellen Bilanz ermittelt. Für ihre Studie werteten sie die Daten von elf verschiedenen Satellitenmissionen und insgesamt 26 Eismassen-Erhebungen aus der Zeit von 1992 bis 2018 aus. Sie kombinierten damit Radardaten zur Höhenveränderung des Eisschilds, Daten aus Schwerefeldmessungen und direkte Messwerte der Fließgeschwindigkeit von Gletschern. “Solche Satellitenbeobachtungen sind essenziell, um das Eis zu überwachen und vorhersagen zu können, wie der Klimawandel Eisverluste und den Meeresspiegelanstieg beeinflussen wird”, sagt Co-Projektleiter Erik Ivins vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena. “Computersimulationen ermöglichen uns zwar Prognosen, die Satellitenmessungen aber liefern direkte, unwiderlegbare Beweise.”

Die Datenauswertung ergab: Seit 1992 hat Grönland 3,8 Billionen Tonnen Eis verloren – das ist genug, um den globalen Meeresspiegel in diesen fast 30 Jahren um 10,6 Millimeter ansteigen zu lassen. Etwa die Hälfte dieses Eisverlusts geht auf das Abtauen der Eisoberfläche durch Kontakt mit der warmen Luft zurück, wie die Forscher berichten. Das dabei entstehende Schmelzwasser strömt dann entweder entlang der Oberfläche oder unter dem Eis in Richtung Küsten. Für die andere Hälfte des Eisverlusts ist das erhöhte Fließtempo der Gletscher verantwortlich. Das Eis gelangt dadurch schneller an die Küste und schmilzt dort durch Kontakt mit dem Meerwasser oder kalbt als Eisberge von der Gletscherfront.

(Video: Ice Sheet Mass Balance Inter-comparison Exercise (IMBIE) Team)

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Am oberen Rand der IPCC-Prognosen

Die Studie enthüllt jedoch auch, dass der Eisverlust auf Grönland nicht gleichmäßig verlaufen ist. Insgesamt hat sich die Abtaurate deutlich erhöht – von jährlich 33 Milliarden Tonnen in den frühen 1990ern auf 254 Milliarden Tonnen pro Jahr im aktuellen Jahrzehnt. Das entspricht einem siebenfachen Anstieg des Eisverlusts in knapp 30 Jahren. Allerdings verlief dieser Anstieg nicht linear, sondern schwankte in dieser Zeitperiode deutlich, wie die Forscher berichten. Demnach stieg die Abtaurate von 1992 bis 2012 sukzessive an, sank dann aber bis 2018 wieder leicht ab. “Die hochgradig variable Natur der grönländischen Eisverluste sind eine Konsequenz einer ganzen Spannbreite physikalischer Prozess, die verschiedene Teile des Eisschilds beeinflussen”, erklären Shepherd und seine Kollegen. “Daher muss man große Vorsicht walten lassen, wenn man auf Basis spärlicher Messdaten hochrechnet.” Im Falle der aktuellen Bilanz allerdings ist die Datenbasis weit üppiger als bei allen vorhergehenden Studien und auch die über verschiedene Messmethoden ermittelten Werte zeigen eine gute Übereinstimmung, wie die Forscher betonen.

Um die Entwicklung des grönländischen Eises einzuordnen, haben die Wissenschaftler ihre Ergebnisse mit den Prognosen des Weltklimarats IPCC verglichen. Demnach bewegen sich die jetzt ermittelten Eisverluste am oberen Rand der vom IPCC vorhergesagten Werte, nach denen die Eisschmelze in Grönland bis 2100 den Meeresspiegel zusätzlich um 50 bis 120 Millimeter erhöhen wird. “Für jeden Zentimeter, den der Meeresspiegel global ansteigt, sind sechs Millionen Menschen mehr von Küstenüberflutungen betroffen”, sagt Shepherd. “Setzt sich der aktuelle Trend fort, wird allein die grönländische Eisschmelze bis zum Ende des Jahrhunderts 100 Millionen Menschen solchen Überschwemmungen aussetzen.”

Quelle: Ice Sheet Mass Balance Inter-comparison Exercise Team (IMBIE), Nature, doi: 10.1038/s41586-019-1855-2

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