Als die Rattenbabys nach 15 Tagen ihre Augen öffneten, arbeitete sofort die Richtungsbestimmung: Eine bestimmte Gruppe von Nervenzellen wurde aktiv, wenn der Kopf eines Tiers in Richtung der erwachsenen Tiere deutete. „Die Kopf-Richtungs-Zellen waren von Beginn an funktional ausgreift“, berichtet Rosamund Langston. Nach diesem Kompass optimierten sich die Neuronen für die Ortsbestimmung, die eine bestimmte Position im Raum definieren. Als letztes reiften am 16. Tag die Zellen, die den Tieren ein geometrisches Koordinatensystem ihrer Umgebung für die Entfernungsabschätzung liefern. Aber vom ersten Augenblick an interagierten die drei Gehirnareale und im Alter von 30 Tagen war das Raumkonzept ausgebildet.
„Der Orientierungssinn scheint im Gehirn fest verdrahtet zu sein“, erklärt Langston. „Für die erste Umgebungserforschung existiert ein Fundament aus starken Bausteinen, die das System zur Navigation bilden.“ Keinerlei Unterschiede konnten die Wissenschaftler bei den Orientierungsfähigkeiten von weiblichen und männlichen Rattenbabys feststellen. Beide Geschlechter besitzen also die gleichen Bausteine für die Darstellung des Raums im Gehirn. Unterschiedliche Fähigkeiten bei der Orientierung könnten nach Ansicht der Wissenschaftler daraus resultieren, wie die Karte einer Umgebung aufgebaut wird.
Eine zweite Forschergruppe um Tom Wills vom University College London hat zeitgleich ihre Forschung über die Entwicklung des Raumsinns bei Rattenbabys in „Science“ veröffentlicht. Die Ergebnisse decken sich mit denen von Langston, nur dass für den Reifezeitpunkt des Raumkoordinatensystems der Tag 20 statt des Tags16 ermittelt wurde.