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Ostsee: Kein Nachwuchs bei Dorsch und Hering

Erde|Umwelt

Ostsee: Kein Nachwuchs bei Dorsch und Hering
Dorsche
Dorsche haben in der westlichen Ostsee kaum noch Nachwuchs. (Bild: I. Oelrichs)

Wissenschaftler und Fischer schlagen Alarm: In der westlichen Ostsee gibt es einen akuten Nachwuchsmangel bei Dorschen und Heringen – den wichtigsten und am stärksten befischten Speisefischen dieses Meeres. Beide Fischarten haben sich in den letzten Jahren kaum vermehrt, es gibt kaum noch Jungfische. Damit wächst die Gefahr, dass die Bestände von Dorsch und Hering in der westlichen Ostsee ganz zusammenbrechen.

Hering und Dorsch gehören zu den für die Fischerei in der Ostsee wichtigsten Fischarten, etwa 87 Prozent aller Fänge gehen auf diese Spezies zurück. Doch schon seit Jahren sorgen Überfischung und steigende Meerestemperaturen für einen Rückgang der Bestände. Trotz Fangquoten und vorübergehenden, kurzfristigen Erholungen kommt es immer wieder zu starken Einbrüchen.

Tabula rasa bei Dorsch und Hering

Jetzt scheint ein neuer Tiefstand erreicht, wie Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz Zentrums für Ozeanforschung in Kiel festgestellt haben. Sie hatten im Frühjahr 2020 gemeinsam mit mehreren Berufsfischern in der Kieler Förde den Zustand und Laicherfolg von Dorsch und Hering untersucht. Das Ergebnis: Nach Jahrzehnten der Überfischung sind die Bestände von Dorsch und Hering in der westlichen Ostsee so geschrumpft, dass sie während der Laichzeit nicht mehr ihr ganzes Laichgebiet mit Eiern versorgen können. Beim Hering liegt der Nachwuchs seit 2005 weit unter dem Mittel der vorherigen Jahre und nimmt kontinuierlich weiter ab. „Normalerweise sehe ich um diese Jahreszeit Schwärme von Jungheringen im Flachwasser. Jetzt ist nichts da“, sagt Berufsfischer Oliver Eggerland. Er habe noch nie so wenig Jungfische gesehen wie in diesem Jahr.

Beim Dorsch sieht es kaum besser aus: In vier der letzten fünf Jahre ist der Nachwuchs ganz oder fast ganz ausgeblieben, wie die Forscher berichten. Der Bestand besteht daher fast nur noch aus vierjährigen Dorschen, die sich noch nicht erfolgreich fortgepflanzt haben und die Hauptlast der Dorschfischerei tragen. „Wenn wir diesen Jahrgang ohne Ersatz verlieren, dann haben wir den Bestand verloren“, sagt Rainer Froese vom GEOMAR.

Zu milde Winter und eingeschleppte Nahrungskonkurrenten

Neben der Überfischung sehen die Experten das Problem vor allem beim Klimawandel: In diesem Frühjahr hat der ungewöhnlich warme Winter die meisten Fische dazu veranlasst, zu früh abzulaichen. Dadurch schlüpften die Fischlarven, bevor genügend Nahrung für sie vorhanden war und verhungerten. Während die Laichzeiten bei großen Beständen stärker variieren, ist dies bei nur noch wenigen fortpflanzungsbereiten Fischen nicht der Fall, wie die Wissenschaftler erklären. Dadurch haben in diesem Jahr nur sehr wenige Fische zur richtigen Zeit am richtigen Ort abgelaicht.

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Eine weitere Bedrohung sind Rippenquallen, eine eingeschleppte Art, die sich wegen des immer wärmeren Ostseewassers stark vermehrt haben. Sie konkurrieren nun mit den Fischlarven um das Plankton. „Wir hatten noch in keinem Jahr so viele Rippenquallen in unseren Proben wie jetzt“, sagt Catriona Clemmesen vom GEOMAR. „Alle Anzeichen deuten daher darauf hin, dass es in diesem Jahr bei Dorsch und Hering keinen Nachwuchs geben wird.“

Aus Sicht der Fischer und der GEOMAR-Wissenschaftler muss dringend gehandelt werden, um eine Katastrophe abzuwenden. Sie schlagen eine völlige Einstellung jeglicher Fischerei auf Dorsch und Hering vor, bis mehrfache erfolgreiche Fortpflanzung die Bestände dauerhaft abgesichert hat. „Es kann nicht angehen, dass wir jetzt die letzten Dorsche und Heringe wegfangen,“ sagt Thorsten Reusch vom GEOMAR. „Die wenigen Jungfische, die trotz der widrigen Bedingungen überlebt haben, besitzen offenbar solche Erbanlagen, die wir für die Zukunft der Bestände brauchen.“ Denn diese Fische stammen von Eltern ab, die sich offenbar an das wärmere Wasser angepasst haben und erst später gelaicht haben. „Deren Gene müssen unbedingt an die nächsten Generationen weitergegeben werden“, sagt Reusch.

Es muss gehandelt werden

Die Forschenden und ihre Fischerkollegen appellieren an die zuständigen Minister, etwas zu unternehmen. Wenn die Landwirtschaftsminister der EU sich nächste Woche treffen, um die Fangquoten für 2021 zu beschließen, sollte die Fischerei auf Dorsch und Hering in der westlichen Ostsee ausgesetzt werden. Allerdings müssten dann auch die Fischer entsprechend entschädigt werden. Das Team schlägt vor, den Fischern, die aussteigen wollen, eine Abfindung zu zahlen und diejenigen, die im Beruf bleiben wollen, finanziell zu unterstützen. Zudem sei es wichtig, Möglichkeiten einer natürlichen Eindämmung der Rippenquallen in der Ostsee zu untersuchen. So könnte man beispielsweise einheimische Räuber oder Nahrungskonkurrenten der ungebetenen Gäste so fördern, dass sich die Rippenquallen nicht mehr so stark vermehren können.

Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

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