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Ozon zerstört „Insekten-Parfum“

Umwelt

Ozon zerstört „Insekten-Parfum“
Wenn Drosophila-Fliegen durch Ozonbelastung ihre Duftstoffe verlieren, können sie offenbar Männchen von Weibchen nicht mehr unterscheiden. © Benjamin Fabian, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

Gestörtes Paarungsverhalten: Ozonbelastungen in der Luft können Sexualpheromone von Insekten zerstören und damit möglicherweise zum Insektensterben beitragen, legt eine Studie an Taufliegen nahe. Das reaktive Sauerstoffmolekül bricht demnach Bindungen in den Duftstoffen auf und zerstört damit ihre Signalfunktion. Dies führt zu Verhaltensweisen, die den Fortpflanzungserfolg der Fliegen beeinträchtigen. Möglicherweise könnten viele Insektenarten von diesem Effekt betroffen sein, sagen die Wissenschaftler.

Statt zwei Sauerstoffatome besitzt es drei – dadurch wird das Ozon zum Problem: Es entfaltet in der bodennahen Luft „aggressive“ Wirkungen und kann dadurch die menschliche Gesundheit beeinträchtigen. Seine Bildung wird durch Luftschadstoffe wie Stickoxiden aus Verbrennungsprozessen und andere menschengemachte Substanzen begünstigt. Dadurch sind die Ozonwerte in vielen vom Menschen geprägten Regionen deutlich über die natürlichen Werte hinaus angestiegen, zeigen Studien. Davon sind natürlich nicht nur wir betroffen: Auch andere Lebewesen leiden unter den erhöhten Ozonbelastungen in der Luft.

Gebrochene Pheromone

Den möglichen Folgen für Insekten ist nun ein Forscherteam am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena weiter nachgegangen. „Wir wussten bereits, dass Umweltschadstoffe wie Ozon und Stickoxid Blütendüfte abbauen und Blüten dadurch für ihre Bestäuber weniger attraktiv machen. Da insbesondere Verbindungen mit Kohlenstoff-Doppelbindungen empfindlich auf den Abbau reagieren und fast alle Sexualpheromone von Insekten solche Doppelbindungen tragen, fragten wir uns, ob Luftverschmutzung auch Auswirkungen darauf hat, wie gut sich Insektenweibchen und –männchen für die Paarung finden und identifizieren können“, sagt Co-Autor Markus Knaden.

Die Forscher führten ihre Untersuchungen an dem Modell-Insekt der Wissenschaft durch: der Taufliege Drosophila melanogaster. Bei ihrem Paarungsverhalten spielen bekanntermaßen Pheromone eine wichtige Rolle, die Männchen abgeben, um Weibchen zu betören und Rivalen fernzuhalten. Für die Experimente wurden einige Fliegenmännchen einer erhöhten Ozonkonzentration ausgesetzt, wie sie heute oft in Städten im Sommer auftreten können. Anschließend wurde gemessen, ob die Fliegen das Pheromon noch abgaben. Dabei zeigte sich: Wurden die Insekten nur zwei Stunden lang der Ozonbelastung ausgesetzt, verringerten sich die gemessenen Pheromonwerte gegenüber einer Kontrollgruppe überraschend stark. Offenbar wurden die Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen der Substanz intensiv aufgebrochen.

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Faktor beim Insektensterben?

Der Verlust des „Insekten-Parfums“ ging dabei mit erheblichen Verhaltensänderungen einher, beobachteten die Wissenschaftler: Die erhöhte Ozonkonzentration führte dazu, dass Männchen auf Weibchen weniger attraktiv wirkten. Doch nicht nur das: Die weniger „männlich“ riechenden Individuen wurden plötzlich auch für ihre gleichgeschlechtlichen Artgenossen interessant und wurden von ihnen umworben. Offensichtlich konnten sie die ozonisierten Männchen nicht mehr von Weibchen unterscheiden, erklären die Forscher. Das Team konnte diese Auswirkungen von erhöhten Ozonwerten auch beim Paarungsverhalten von anderen Drosophila-Arten beobachten.

Da die Kommunikation bei sehr vielen Insektenarten stark auf chemischen Lockstoffen beruht, sehen die Forscher in den Ergebnissen eine möglicherweise weitreichende Bedeutung. Denn die meisten Insektenpheromone enthalten Ozon-sensible Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen. Neben der Nutzung von Insektiziden und der Zerstörung von Lebensräumen könnte demnach auch der gesteigerte Ozon-Effekt dazu beitragen, dass Insektenpopulationen weltweit zurückgehen. „Insekten und ihre Pheromone haben sich über Millionen von Jahren entwickelt. Die Konzentration von Schadstoffen in der Luft hat sich hingegen erst seit der Industrialisierung drastisch erhöht. Es ist unwahrscheinlich, dass sich das im Laufe der Evolution entwickelte Kommunikationssystem von Insekten innerhalb von kurzer Zeit an neue Bedingungen anpassen kann, wenn Pheromone plötzlich nicht mehr da sind“, sagt Co-Autor Bill Hansson.

In weiteren Studien wollen die Max-Planck-Forscher die Auswirkungen von Ozon nun auch bei anderen Insektenarten untersuchen. „Die chemische Kommunikation ist bei Insekten auch nicht nur auf das Paarungsverhalten beschränkt“, betont Knaden. „Soziale Insekten wie Bienen, Ameisen und Wespen verwenden chemische Signale, um die Mitglieder ihrer Kolonie zu identifizieren. Wir untersuchen derzeit, ob die Sozialstruktur innerhalb von Ameisenkolonien beeinträchtigt wird, wenn die Ameisen von ihren Futtersuchgängen zurückkehren, bei denen sie erhöhten Schadstoffkonzentrationen ausgesetzt waren“, sagt der Wissenschaftler.

Quelle: Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-36534-9

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