Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Pausensignal aus dem Gehirn

Erde|Umwelt Gesundheit|Medizin

Pausensignal aus dem Gehirn
„Puuh, ich brauche eine Pause“ – bei fast allen Tätigkeiten kommt irgendwann der Moment, in dem wir spüren: Jetzt sind wir erschöpft und sollten unserem Körper oder unserer Konzentration eine Pause gönnen. Aber woher kommt dieses instinktive Gefühl? Und warum gibt es Situationen, in denen wir das Pausenbedürfnis überwinden und trotzdem weitermachen – weil es eben sein muss? Genau diese Fragen haben jetzt französische Forscher in einem Experiment untersucht – und haben tatsächlich ein Gehirnsignal identifiziert, das uns als Taktgeber für das Pausenbedürfnis dient.

„Die Frage, wann wir unsere Arbeit unterbrechen sollten und wann wir nach einer Pause wieder fit sind, muss unser Gehirn jeden Tag aufs Neue beantworten“, erklären Florent Meyniel von der Université Pierre et Marie Curie in Paris und seine Kollegen. Diese Entscheidung müsse zudem dynamisch erfolgen, denn der Körper wisse ja nicht im Vorhinein, wie anstrengend die jeweilige Tätigkeit sei. „Wenn Menschen einen Kühlschrank die Treppe hochwuchten müssen, entscheiden sie ja nicht vorher, wie oft und wie lange sie unterwegs Pause machen“, sagen die Forscher. Es muss daher etwas geben, das unsere jeweilige Anstrengung mitprotokolliert und dann Alarm schlägt, wenn es zu viel zu werden droht.

Schon Anfang des 20. Jahrhunderts vermutete der Psychologe William James, dass es einen Mechanismus gibt, der wie eine Art Sanduhr „Erschöpfungseinheiten“ erfasst. Erreichen diese ein bestimmtes Maß, löst das System den Wunsch nach einer Pause aus. Diese Schwelle aber, so postulierte der Forscher damals bereits, müsse flexibel sein. „Denn wenn es nötig ist, dass wir weitermachen, geschieht etwas Überraschendes: Die Erschöpfung nimmt nur bis zu einem gewissen kritischen Punkt zu, dann verschwindet sie wieder und wir bekommen eine Art zweiten Atem“, beschreibt James das Phänomen.

Drücken gegen Belohnung

Ob James mit seiner Vermutung richtig lag und wie diese Sanduhr neurophysiologisch aussehen könnte, haben Meyniel und seine Kollegen nun untersucht. Für ihre Studie baten sie 39 Probanden, einen Handgriff jeweils so stark und lange zu drücken wie sie konnten, während sie in einem Hirnscanner lagen. Ab einer bestimmten Druckstärke lief ein Zähler mit. Pro Zeiteinheit, die die Teilnehmer in dieser Intensität durchhielten, bekamen sie je nach Versuchsdurchgang entweder 10,20 oder 50 Cent Belohnung. Damit sollte getestet werden, welchen Einfluss die Motivation auf das Pausenbedürfnis hat, wie die Forscher erklären. Zudem lag die Druckschwelle, ab der der Zähler lief, ohne Wissen der Probanden bei den verschiedenen Durchgängen unterschiedlich hoch.

Anzeige

„Wie erwartet, wechselten die Probanden im Laufe eines Versuchs zwischen Anstrengung und Pausen ab“, berichten Meyniel und seine Kollegen. Und wie vermutet, benötigten die Teilnehmer dann schneller eine Pause, wenn sie den Handgriff stärker drücken mussten, bevor der Zähler lief. Umgekehrt animierte eine höhere Belohnung sie dazu, trotz Erschöpfung länger weiterzumachen. Soweit, so wenig überraschend.

Anschwellendes Signal aus der Schmerzmatrix

Spannender wurde es, als die Forscher die Aufnahmen des Hirnscanners auswerteten. Die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) ergab, dass während der Anstrengung zwei Gehirnregionen besonders aktiv waren, eine im Thalamus und eine in der hinteren Hirnrinde. „Beide Areale gehören zur sogenannten Schmerzmatrix und zu dem Netzwerk im Gehirn, das der Eigenwahrnehmung unseres Körpers dient“, erklären die Wissenschaftler. Zusätzliche Messungen mittels Magneto-Enzephalografie (MEG) enthüllten zudem, dass dieses Netzwerk ein Signal aussendet, das im Laufe der Anstrengung stärker wird, in den Pausen aber allmählich wieder absinkt. Und noch etwas zeigte sich: Mussten sich die Probanden stärker anstrengen, stieg dieses Signal schneller an, waren sie dagegen durch eine höhere Belohnung besonders motiviert, stieg es trotz gleicher Anstrengung langsamer.

„Damit haben wir ein Gehirnsignal entdeckt, das linear die Kosten während der Arbeit akkumuliert und sie in der Pause wieder abbaut“, sagen Meyniel und seine Kollegen. Das entspreche gut dem Sanduhr-Modell von James. Es zeige auch, warum es unter bestimmten Umständen möglich sei, über die Grenzen hinaus zu gehen: Die Kostenkurve steige dann langsamer, trotz gleicher Mühen. Noch wissen die Forscher nicht, welche Informationen aus dem Körper diese Hirnareale für ihr Signal auswerten – es könnte aus den Muskeln stammen oder eine Stoffwechselgröße sein. Unklar sei auch, wie dieses Signal genau mit unserer subjektiv empfundenen Erschöpfung zusammenhänge. Das muss nun in Folgestudien weiter ergründet werden.

Florent Meyniel (Université Pierre et Marie Curie, Paris) et al.: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073/pnas.1211925110 © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Kar|to|gra|phie  〈f. 19; unz.〉 = Kartografie

Shi|i|ta|ke|pilz  〈[i–] m. 1; Bot.〉 Blätterpilz mit rundem od. nierenförmigem Hut u. weißlichem Fleisch, der in Ostasien gewerbemäßig als Speisepilz angebaut wird: Lentinula edodes [jap.]

oxi…, Oxi…  〈Chem.; in Zus.〉 1 scharf, sauer, Sauerstoff enthaltend 2 eine od. mehrere Hydroxylgruppen aufweisend … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige