Schon Anfang des 20. Jahrhunderts vermutete der Psychologe William James, dass es einen Mechanismus gibt, der wie eine Art Sanduhr „Erschöpfungseinheiten“ erfasst. Erreichen diese ein bestimmtes Maß, löst das System den Wunsch nach einer Pause aus. Diese Schwelle aber, so postulierte der Forscher damals bereits, müsse flexibel sein. „Denn wenn es nötig ist, dass wir weitermachen, geschieht etwas Überraschendes: Die Erschöpfung nimmt nur bis zu einem gewissen kritischen Punkt zu, dann verschwindet sie wieder und wir bekommen eine Art zweiten Atem“, beschreibt James das Phänomen.
Drücken gegen Belohnung
Ob James mit seiner Vermutung richtig lag und wie diese Sanduhr neurophysiologisch aussehen könnte, haben Meyniel und seine Kollegen nun untersucht. Für ihre Studie baten sie 39 Probanden, einen Handgriff jeweils so stark und lange zu drücken wie sie konnten, während sie in einem Hirnscanner lagen. Ab einer bestimmten Druckstärke lief ein Zähler mit. Pro Zeiteinheit, die die Teilnehmer in dieser Intensität durchhielten, bekamen sie je nach Versuchsdurchgang entweder 10,20 oder 50 Cent Belohnung. Damit sollte getestet werden, welchen Einfluss die Motivation auf das Pausenbedürfnis hat, wie die Forscher erklären. Zudem lag die Druckschwelle, ab der der Zähler lief, ohne Wissen der Probanden bei den verschiedenen Durchgängen unterschiedlich hoch.
„Wie erwartet, wechselten die Probanden im Laufe eines Versuchs zwischen Anstrengung und Pausen ab“, berichten Meyniel und seine Kollegen. Und wie vermutet, benötigten die Teilnehmer dann schneller eine Pause, wenn sie den Handgriff stärker drücken mussten, bevor der Zähler lief. Umgekehrt animierte eine höhere Belohnung sie dazu, trotz Erschöpfung länger weiterzumachen. Soweit, so wenig überraschend.
Anschwellendes Signal aus der Schmerzmatrix
Spannender wurde es, als die Forscher die Aufnahmen des Hirnscanners auswerteten. Die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) ergab, dass während der Anstrengung zwei Gehirnregionen besonders aktiv waren, eine im Thalamus und eine in der hinteren Hirnrinde. „Beide Areale gehören zur sogenannten Schmerzmatrix und zu dem Netzwerk im Gehirn, das der Eigenwahrnehmung unseres Körpers dient“, erklären die Wissenschaftler. Zusätzliche Messungen mittels Magneto-Enzephalografie (MEG) enthüllten zudem, dass dieses Netzwerk ein Signal aussendet, das im Laufe der Anstrengung stärker wird, in den Pausen aber allmählich wieder absinkt. Und noch etwas zeigte sich: Mussten sich die Probanden stärker anstrengen, stieg dieses Signal schneller an, waren sie dagegen durch eine höhere Belohnung besonders motiviert, stieg es trotz gleicher Anstrengung langsamer.
„Damit haben wir ein Gehirnsignal entdeckt, das linear die Kosten während der Arbeit akkumuliert und sie in der Pause wieder abbaut“, sagen Meyniel und seine Kollegen. Das entspreche gut dem Sanduhr-Modell von James. Es zeige auch, warum es unter bestimmten Umständen möglich sei, über die Grenzen hinaus zu gehen: Die Kostenkurve steige dann langsamer, trotz gleicher Mühen. Noch wissen die Forscher nicht, welche Informationen aus dem Körper diese Hirnareale für ihr Signal auswerten es könnte aus den Muskeln stammen oder eine Stoffwechselgröße sein. Unklar sei auch, wie dieses Signal genau mit unserer subjektiv empfundenen Erschöpfung zusammenhänge. Das muss nun in Folgestudien weiter ergründet werden.