Ab dem 1. Dezember 2013 ist die Nutzung von drei Pestiziden in der EU stark eingeschränkt – weil der Verdacht besteht, dass sie am Bienensterben mit beteiligt sind. Die seit Anfang der 1990er Jahre in Europa und anderen Regionen gängigen Neonicotinoide galten zwar lange Zeit als harmlos für diese Insekten. Doch in den letzten Jahren häufen sich die Hinweise darauf, dass diese Spritzmittel für Bienen sehr wohl schädlich sind. So stören schon niedrige Dosen dieser Substanzen die Orientierung der Arbeiterinnen. Hummelvölker schrumpfen und produzieren weniger Königinnen. „Zudem geht die Ausbringung von Neonicotinoiden häufig mit einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit der Bienen einher „, erklären Gennaro Di Prisco von der Universität von Neapel in Portici und seine Kollegen. Dazu gebe es bisher allerdings nur rein beschreibende Studien. Ob es tatsächlich einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Pestiziden und einem möglicherweise gestörten Immunsystem der Bienen gibt, haben die Forscher nun erstmals genauer untersucht.
Für ihre Studie setzten die Forscher eine Gruppe von Honigbienen unterschiedlich hohen Dosen des Neonicotinoids Clothianidin aus. Anschließend infizierten sie die Insekten mit Hefepilzen. Diese sind zwar unschädlich für die Tiere, provozieren aber eine Reaktion des Immunsystems. Um herauszufinden, wie gut die Abwehr der Bienen trotz Pestizidbelastung noch funktioniert, analysierten sie die Aktivität bestimmter Gene, die eine wichtige Rolle für die Immunantwort spielen.
Das Ergebnis: Bei den Tieren, die mit dem Neonicotinoid in Kontakt gekommen waren, war ein Gen deutlich aktiver als bei den Kontrolltieren. Wie die Forscher berichten, steuert dieses Gen die Produktion eines immundämpfenden Signalstoffs. Diese Störung der Immunfunktion trat auch auf, wenn die Bienen einem anderen Neonicotinoid, Imidacloprid, ausgesetzt wurden. Ein Spritzmittel aus einer anderen Substanzklasse dagegen, das Organophosphat Chlorpyriphos, hatte diese Wirkung nicht. „Das zeigt, dass vor allem die Neonicotinoide die Immunantwort der Honigbienen beeinträchtigen“, konstatieren Di Prisco und seine Kollegen.
Schon niedrigste Dosen fördern die Virenvermehrung
In einem weiteren Versuch testeten die Forscher, wie sich dieser immundämpfende Effekt auf den Virenbefall der Bienen auswirkt. Dazu fütterten sie die Bienenarbeiterinnen von Versuchsvölkern mit Zuckerlösungen, die unterschiedlich hohe Beimischungen des Neonicotinoids Clothianidin enthielten. Die Konzentrationen reichten dabei von 0,1 bis zu 10 parts per billion (ppb). „Das entspricht einer Kontamination, die noch unter der typischerweise auf Feldern vorhandenen liegt“, sagen die Forscher. In den Bienenvölkern war das Flügeldeformationsvirus präsent, wurde aber von den Insekten ausreichend in Schach gehalten. Die Infektion blieb dadurch latent. Wie sich zeigte, änderte sich dies aber durch die Pestizidgabe sehr schnell: Bereits die geringsten Dosen führten dazu, dass sich das Virus in den Bienen nach einigen Tagen deutlich vermehrte. Ähnliche Ergebnisse brachten die gleichen Tests mit dem Neonicotinoid Imidacloprid.
„Unsere Daten demonstrieren, dass zwei verschiedene Neonicotinoid-Spritzmittel aktiv die Vermehrung des Flügeldeformationsvirus fördern“, konstatieren Di Prisco und seine Kollegen. Die Hemmung der Immunantwort durch diese Mittel habe damit konkrete Folgen. Selbst unterhalb der tödlichen Konzentrationen führen diese Pestizide dadurch zu einer erhöhten Sterblichkeit der Honigbienen. Die Forscher schließen zudem nicht aus, dass die Mittel bei längerer Exposition weitere negative Effekte auf die Physiologie und die Entwicklung der Insekten haben. Die bisher üblichen Zulassungstests für Pestizide, die nur die kurzzeitige Giftwirkung prüfen, sind daher ihrer Ansicht nach nicht ausreichend. „Unsere Ergebnisse demonstrieren die Bedarf an langfristigeren Toxizitätstests, die auch erfassen, wie die Pestizide die Krankheitsentwicklung der Bienen beeinflusst“, so die Forscher.
In der EU dürfen Neonicotinoide ab Ende dieses Jahres bei Sonnenblumen, Raps, Mais und Baumwolle nicht mehr eingesetzt werden. Erlaubt ist aber weiterhin der Einsatz bei Wintergetreide und Pflanzen, die keine Bienen anziehen. Da diese Beschränkung vorerst nur für zwei Jahre gilt, können die Honigbienen und Hummeln vermutlich jedes Argument gebrauchen, dass sie auch in Zukunft vor diesen Pestiziden schützt. Die Studie von Di Prisco und seinen Kollegen könnte dazu nun einen weiteren Beitrag geleistet haben.