Bei den „Spermien-Turbo-Schaltern“ handelt es sich um Rezeptoren für das Sexualhormon Progesteron, berichten die Forscher um Melissa Miller von der University of California in Berkeley. Diese Rezeptoren sitzen ihnen zufolge auf dem Schwanz der Spermien und werden durch das Progesteron aktiviert, das die Eizelle freisetzt: Steigt die Konzentration in der Nähe des Ziels der Spermien deutlich an, beginnt ihr Schwanz heftiger zu schlagen. Dadurch erreichen die „Boten des Lebens“ den nötigen Vorwärtsdruck, um schließlich in die Eizelle einzudringen, erklären Miller und ihre Kollegen.
Was Spermien in den Turbogang versetzt
Diesem Effekt kamen sie durch ein raffiniertes Untersuchungsverfahren auf die Spur: Es gelang ihnen, den Spermien winzige Elektroden an die Schwänze zu heften. Über diese Messfühler ließen sich die Prozesse erfassen, die durch Hormoneinwirkungen entstehen. So konnten die Forscher zeigen: Der Rezeptor mit der Bezeichnung CatSper öffnet bei bestimmten Progesteron-Konzentrationen gleichsam seine Pforten und lässt elektrisch geladenes Kalzium in die Zelle einströmen. Dies löst eine Kettenreaktion von Prozessen in den Spermien aus, die letztlich für den Extraschub sorgen. Dass dies nicht vorzeitig ausgelöst wird, verhindern bestimmte Inhibitoren an den CatSper-Rezeptoren, berichten die Forscher. Denn erst wenn die Hormonwerte die Nähe der Eizelle nahelegen, darf der energieaufwendige Endspurt erfolgen.
Miller und ihren Kollegen zufolge könnten Störungen dieses Konzepts hinter Fruchtbarkeitsproblemen bei Männern stecken. Die Ursache von etwa 80 Prozent aller Fälle von männlicher Unfruchtbarkeit können Ärzte heute immer noch nicht erklären. Den Forschern zufolge liegt dies daran, dass bisher wenig über die molekulare Interaktion zwischen Spermien mit Eizellen bekannt ist. Entscheidende Merkmale des Spermas könnten ihnen zufolge für die Hälfte aller Fälle von Unfruchtbarkeit bei Paaren verantwortlich sein. Den Forschern zufolge ist es möglich, dass oft Probleme mit dem Progesteron-Rezeptor-System der Spermien dahinter stecken.
Pille für Mann und Frau?
Unfruchtbarkeit kann natürlich aber auch erwünscht sein – und auch was dies betrifft, könnten die neuen Ergebnisse vielversprechend sein, betonen die Forscher: „Wir haben ein konkretes Ziel für Unisex-Verhütungsmittel entdeckt“, so Miller. „Wenn man das Progesteron daran hindern kann, den Turbogang auszulösen, könnte man Spermien davon abhalten, in die Eizelle einzudringen“, erklärt die Wissenschaftlerin. Dieser Effekt könnte möglicherweise durch die Einnahme einer Pille vermittelt werden, die bei beiden Geschlechtern wirkt – möglicherweise bietet das System also Ansatzpunkte für ein Verhütungsmittel, das auch Männer verwenden könnten.
Die Forscher wollen nun am Ball bleiben und das komplexe Wirksystem des Progesterons weiter untersuchen. Man darf also gespannt sein, was sich aus der Geschichte entwickeln wird. „Es handelt sich um eine besonders aussichtsreichen Ansatzpunkt für die Entwicklung eines Unisex-Verhütungsmittels“, ist Miller überzeugt.