Die Ermittler von der zuständigen Kripo Landshut bildeten – damals im Juni 1997 – sofort eine Sonderkommission, um diesen ungewöhnlich brutalen Mordfall zu klären. Sie forderten aber nicht nur die üblichen kriminaltechnischen Serviceeinheiten an. Neben der Spurensicherung, der Gerichtsmedizin und der DNA-Analytik zur Spermauntersuchung, wandten sie sich auch an die damals gerade neu gegründete Abteilung zur Operativen Fallanalyse (OFA) der Münchner Kripo.
Der junge Kriminaloberkommissar Alexander Horn und seine Kollegen hatten sie gerade nach dem Vorbild des FBI eingerichtet. Ihr Zweck: Den Täter finden, wenn zwischen Opfer und Täter keine Beziehung besteht. “Die Fälle, bei denen sich Ehepartner nach 20 Jahren frustrierender Ehe umbringen, gehören nicht zu unseren Aufgaben. Bei Serientätern und “Lust”-Mördern war die Kriminalpolizei bis vor kurzem aber recht hilflos. Bis zur Einführung der Operativen Fallanalyse, die in den USA entwickelt wurde.
“Die gefundenen Gruppierungen von Tätern gelten weltweit”, sagt Alexander Horn. “Zusammen mit ausländischen Kollegen haben wir festgestellt, daß es sie auch in Rußland, Kanada oder Deutschland gibt. Mit nur einem auffälligen Unterschied: In den USA sind die Täter durchweg jünger.”
“Der Täter muß vor, während und nach der Tat Entscheidungen fällen, die alle seinen Charakter widerspiegeln”, sagt Horn, “und wir müssen herausfinden, welche von ihm vorgesehen waren und welche durch seine Umgebung und vor allem das Opfer beeinflußt wurden. Das Verhalten seines Opfers hat der Täter nicht im Griff. Da können völlig unerwartete Dinge geschehen.”
Für die Profiler ist besonders wichtig, ob das Opfer eine leichte oder eine schwere Beute für den Mörder war. Wie sich herausstellte, hatte die im Wald ermordete Margit R. ein geringes Opferrisiko. Sie war eine intelligente Frau und lebte in geordneten Verhältnissen. Obendrein war sie kein leichtes Opfer. Sie war Sozialpädagogin und arbeitete in der Jugendfortbildung – eine Frau, die sich zu wehren wußte. Diese Tatsache spielte bei der Analyse des Täters eine wichtige Rolle.
Für die Münchner OFA-Experten stand das Profil des Mörders von Margit R. nach ihrer Sitzung fest: ein Mann Anfang bis Mitte 20 – ein Underdog, der im Beruf keinen Erfolg und unter seinen “Kumpels” keinen hohen Status hat. Beziehungen mit Frauen beendet er bald wieder. Er lebt in der Nähe des Tatorts. Er ist insgesamt unerfahren – ein introvertierter Mensch mit einem Auto, an dem er viel herumbastelt. Er trinkt viel. Vor der Tat stand er unter starkem Streß.
Wie er auf die meisten seiner Schlußfolgerungen gekommen ist, verschweigt er: “Viele Täter sind keineswegs dumm. Wir verraten nicht alles, was wir über Verhaltensbeurteilungen wissen, denn manche Täter versuchen sonst, falsche Fährten zu legen.”
Der Mörder von Margit R. gehört nicht in diese Gruppe. Die Kripo stieß auf einen jungen Mann, auf den verdächtig viele Merkmale des Profils paßten. Als die Ermittler bei ihm eintrafen, entdeckten sie einen getunten Golf GTI vor der Haustür. Der Verdächtige ließ ohne weiteres eine Speichelprobe für die DNA-Analyse von sich nehmen. Sie überführte ihn als Mörder.