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Riesiger Kohlenstoffspeicher am Kipppunkt?

Tropische Torfmoore

Riesiger Kohlenstoffspeicher am Kipppunkt?
Forscher untersuchen Bodenproben aus dem gigantischen Torflandkomplex des Kongobeckens. © Greenpeace/Kevin McElvaney

Noch binden und speichern die riesigen Torfmoor-Gebiete im afrikanischen Kongobecken enorme Mengen Kohlenstoff aus der Atmosphäre – doch das könnte sich im Zuge des Klimawandels ändern, lässt eine Studie befürchten: Forscher konnten zeigen, dass vor etwa 5000 bis 2000 Jahren ein trockenes Klima im zentralen Kongobecken dazu führte, dass sich Torf zersetzte und Kohlenstoff freisetzte. Die heutige Erwärmung droht nun den Torflandkomplex erneut auszutrocknen, wodurch sich diese Geschichte wiederholen könnte. So würde das Kongobecken vom Kohlenstoffspeicher zur Treibhausgas-Quelle mutieren, sagen die Wissenschaftler.

Sie gelten als die größten terrestrischen Kohlenstoffspeicher der Erde: In Moorgebieten wird die durch Pflanzen gebildete Biomasse kaum zersetzt, sondern in Form von Torf abgelagert. Dadurch wird der aus der Atmosphäre entnommene Kohlenstoff langfristig gebunden. Doch das gilt nur, solange der Torf mit Wasser bedeckt, und dadurch sauerstoffarm ist. Fällt er trocken, beginnen dagegen Mikroorganismen mit der Zersetzung der organischen Substanz und setzten dabei das Treibhausgas Kohlendioxid in die Atmosphäre frei. Dem Schutz der Moore und ihrer Erforschung wird deshalb eine große Bedeutung im Rahmen der Klimaschutzbemühungen zugesprochen.

Ein internationales Forscherteam richtet in diesem Zusammenhang nun den Blick auf das Kongobecken – eines der größten Flusssysteme der Erde. In weiten Teilen ist es von tropischen Wäldern geprägt, doch im zentralen Becken, der sogenannten Cuvette, herrschen Sumpfwälder vor. Durch die Analyse von Satellitenaufnahmen wurde in früheren Untersuchungen deutlich, dass sich dort der größte tropische Torflandkomplex der Welt befindet. Er erstreckt sich über 167.600 Quadratkilometer, das entspricht mehr als der vierfachen Fläche Baden-Württembergs. Schätzungen zufolge könnten dort rund 30 Milliarden Tonnen Kohlenstoff lagern – etwa 28 Prozent des tropischen Torf-Kohlenstoffbestands der Erde.

Ein gigantischer Kohlenstoffspeicher im Visier

„Über die Entstehung und Geschichte dieses Torfgebiets und damit auch dessen Kohlenstoffdynamik ist so gut wie nichts bekannt. Dieses Verständnis ist aber wichtig, um die Anfälligkeit dieses Ökosystems auf den Klimawandel zu ermitteln und Informationen zu liefern, wie sich Abholzung, Ölexploration und Landwirtschaft auswirken“, sagt Co-Autor Enno Schefuß vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften in Bremen. Für ihre Untersuchungen entnahmen die Wissenschaftler Torfproben aus dem Untergrund der abgelegenen Sumpfwälder. Durch Datierungen und Analysen der enthaltenen Pflanzenreste konnten sie Rückschlüsse darauf ziehen, wann die Bildung der Schichten begann und wie sich der Verlauf der Torfablagerung in den letzten Jahrtausenden entwickelte. Durch Isotopenanalysen sowie Untersuchungen von Wachsen aus den Blättern, die im Torf konserviert wurden, gewannen die Forscher zudem Hinweise auf die Niederschlagsmengen zu den jeweiligen Lebzeiten der Pflanzen.

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Aus den Ergebnissen ging hervor, dass die Torfakkumulation vor mindestens 17.500 Jahren begann. Wie sich abzeichnete, verlief sie aber nicht in einer kontinuierlichen Weise bis heute: Im Intervall von vor 7500 bis 2000 Jahren haben sich kaum Torfschichten gebildet, stattdessen wurde sogar älteres Material zersetzt, ging aus den Analysen hervor. „Die Zersetzung hat sich also in den Torf hineingefressen“, so Schefuß. Die Forscher bezeichnen dies als das “Geisterintervall”. Der gleiche Befund zeigte sich an weit voneinander entfernten Probenahmestellen, was darauf hindeutet, dass das Phänomen damals die gesamte Moorregion im Kongobecken betraf.

Trockenheit führte zum “Geisterintervall”

Was die Ursache war, spiegelte sich den Wissenschaftlern zufolge in den Untersuchungen der Pflanzenüberreste wider: “Die Proben verraten, wie die Niederschläge und die Vegetation waren, als der Torf entstand. Zusammen ergeben sie das Bild eines trockenen Klimas“, sagt Erstautor Yannick Garcin von der Universität Aix-Marseille. Aus den Detailergebnissen ging hervor, dass es während des Geisterintervalls etwa einen Meter pro Jahr weniger geregnet hatte als zuvor. Erst 2000 Jahre vor heute stabilisierte sich die Situation dann wieder. “Diese Dürre führte zu einem enormen Verlust an Torf, von mindestens zwei Metern. Dadurch verwandelte sich das Moor damals in eine riesige Kohlenstoffquelle, da sich das Material zersetzte. Dieser Prozess endete erst, als die Dürre aufhörte, sodass sich wieder Torf ansammeln konnte“, erklärt der Forscher.

Wie die Wissenschaftler betonen, befindet sich das Torfmoorgebiet in Zentralafrika heute unter deutlich trockeneren Klimabedingungen als andere tropische Moore. Das bedeutet: Möglicherweise ist die Lage instabil: „Aus unsere Ergebnisse geht hervor, dass sich der Torf im tropischen Kongobecken nahe am Kipppunkt von einer Kohlenstoff-Senke zu einer Quelle befindet, jedoch auch, dass er resilient ist, sich also bei günstiger Entwicklung wieder erholen kann“, sagt Schefuß.

Co-Autor Simon Lewis von der University of Leeds sagt dazu abschließend: “Unsere Studie liefert somit eine Warnung aus der Vergangenheit: Wenn die Moore über einen bestimmten Schwellenwert hinaus austrocknen, werden sie enorme Mengen an Kohlenstoff in die Atmosphäre abgeben und den Klimawandel weiter beschleunigen. Es gibt bereits einige Anzeichen dafür, dass sich die Trockenzeiten im Kongobecken verlängern, aber es ist unklar, wie sich dies weiterentwickeln wird”, sagt der Forscher. “In unseren Ergebnissen steckt auch eine Botschaft für die Staats- und Regierungschefs, die nächste Woche zu den COP27-Klimagesprächen zusammenkommen. Wenn die Treibhausgasemissionen dazu führen, dass die Torfgebiete im Zentralkongo zu trocken werden, dann werden die Torfgebiete zur Klimakrise beitragen, anstatt uns zu schützen”, so Lewis.

Quelle: University of Leeds, MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-022-05389-3

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