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Rückstoßprinzip im Pflanzenreich

Erde|Umwelt

Rückstoßprinzip im Pflanzenreich
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Bei der Explosion einer Torfmoos-Kapsel nimmt der Strom der ausgeschleuderten Sporen Pilzform an. Wirbel im Rand der Pilzkappe tragen die Sporen in 14 Zentimeter Höhe, wo sie der Wind abholt. Foto: Edward/Whitaker
Das Rückstoßprinzip treibt Tintenfische und Quallen an. Nun hat ein US-Forscherteam diesen Trick durch Hochgeschwindigkeits-Aufnahmen auch bei einer Pflanze entdeckt: Torfmoose schießen ihre Sporen durch eine kleine Explosion in die Höhe und erzeugen dabei innerhalb von 0,2 Millisekunden einen Wirbelring. Die Kapsel platzt nämlich auf und schießt ihren Deckel samt den Sporen in die Luft. Durch die hohe Beschleunigung bilden sich am Rand der Flugbahn ringförmige Turbulenzen, wie sie beim Rauchring eines Rauchers zu beobachten sind. Diese Ringwolke besitzt ausreichend Energie, um die Sporen so hoch zu tragen, dass der Wind den Weitertransport übernehmen kann.

Das Torfmoos torpediert Kapseln mit bis zu 250.000 Sporen in die Luft. Auf einem kleinen Stil sitzt eine zwei Millimeter lange Kugel mit den Sporen, die sich durch Austrocknung zu einem Zylinder zusammenzieht. Dadurch bildet sich unter den Sporen eine Kammer mit einem Luftdruck von bis zu fünf Bar. Dieser Behälter explodiert und jagt die Sporen in eine Höhe von zehn bis 20 Zentimeter. Dort werden die Sporen dann vom Wind an einen neuen Standort weitergetragen. Doch die Sporen besitzen einen Durchmesser von nur 20 Mikrometer, weshalb sie nach ballistischen Berechnungen der Physiker unter den gegebenen Umständen eigentlich niemals die Mindesthöhe von zehn Zentimetern erreichen könnten, die ein Weitertransport durch Luftbewegungen erfordert.

Mit einer Kamera, die 10.000 Bilder pro Sekunde aufnimmt, haben nun die Wissenschaftler um Dwight Whitaker vom Pomona College in Claremont den besonderen Mechanismus des Torfmooses ins Bild gesetzt. 0,1 Millisekunden nach der Explosion der Kapsel besitzt der Strom der Sporen eine Geschwindigkeit von 36 Meter pro Sekunde, was 129 Stundenkilometern entspricht. Nach 0,2 bis 0,5 Millisekunden bildet sich eine Pilzform aus: Der schnelle Strom bildet am Rand Wirbelringe, die nun die Pilzkappe schneller und weiter in die Höhe tragen. Der walzende Ring versetzt den Sporen quasi den entscheidenden Schub, damit sie die kritische Höhe von zehn Zentimetern überschreiten. Die anfängliche Beschleunigung der Sporen aus der Kapsel ist gewaltig: Sie beträgt 36.000 g. Die g-Kraft oder auch g-Beschleunigung gibt die Belastung eines Körpers durch Beschleunigung an. Zum Vergleich: Eine Gewehrkugel erreicht beim Abschuss 100.000 g.

Bisher waren die spiralförmigen Turbulenzen um einen schnellen Strom nur bei Fortbewegungsarten im Tierreich bekannt, schreiben die Forscher. Nun sei das Prinzip der Wirbelringe auch im Fortpflanzungsprozess für das Torfmoos belegt. Dieses besitze eine hohe Bedeutung für den globalen Kohlenstoffzyklus: Torfmoos bedeckt ein Prozent der Landoberfläche der Erde und speichert mehr Kohlendioxid als andere Pflanzen.

Dwight Whitaker (Pomona College, Claremont) et al.: Science (doi: 10.1126/science.1190179). ddp/wissenschaft.de ? Rochus Rademacher
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