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Säuger investierten erst in Masse statt Hirn

Evolution

Säuger investierten erst in Masse statt Hirn
Virtuelle Einblicke in die Schädel eines Säugetiers aus der Ära direkt nach dem Ende der Kreidezeit (links) und eines späteren Vertreters mit größerem Gehirn (rechts). © Ornella Bertrand und Sarah Shelley

Größe war anfangs offenbar wichtiger als Grips: Bei ihrer „Machtübernahme“ nach dem Aussterben der Dinosaurier bauten die Säugetiere zunächst nur ihre Körper aus und behielten bescheidene Gehirne, zeigt eine Studie. Erst als sie sich dann nach etwa zehn Millionen Jahren breit etabliert hatten, begannen viele Arten in die Stärkung ihrer kognitiven Fähigkeiten zu investieren, um sich Vorteile im Konkurrenzkampf zu verschaffen, erklären die Forscher.

Sie besitzen besonders hochentwickelte Gehirne und auch das cleverste aller Lebewesen haben die Säugetiere im Lauf der Evolution hervorgebracht: den Menschen. Die kognitiven Leistungen dieser Tiergruppe haben dabei mit dem Verhältnis von Hirngröße zu den Körperausmaßen zu tun. Dabei gilt die Regel: Je mehr Grips im Vergleich zur Masse, desto mehr Intelligenzleistung kann ein Lebewesen hervorbringen. Obwohl Elefanten ein viel größeres Hirn als Menschen besitzen, sind wir ihnen deshalb dennoch kognitiv überlegen. Grundsätzlich kann man sich allerdings die Frage stellen, warum nicht einfach alle Tiere immer größere Hirne entwickelt haben. Der Grund für die Zurückhaltung ist der enorme Energieverbrauch von Nervengewebe. Ein Zuwachs muss sich deshalb lohnen, was nicht immer der Fall ist. Denn für Tiere entstehen nur dann mehr Überlebens- und Fortpflanzungschancen, wenn der Nutzen durch mehr Intelligenz die Kosten der Investition übertrifft.

Die Nachfolger der Dinos im Visier

Offenbar war dies bei den Säugetieren recht häufig der Fall – es zeichnet sich ein entsprechender Trend in ihrer Entwicklungsgeschichte ab. Doch zum Verlauf der sogenannten Enzephalisierung gibt es noch immer offene Fragen. Vor allem klaffte bisher eine Lücke in einer entscheidenden Phase der „Karriere“ der Säugetiere: Es gab kaum Hinweise über die Hirnentwicklung aus der Zeit direkt nach dem Massenaussterben vor 66 Millionen Jahren – als die überlebenden Säugetierarten begannen, die verlassenen ökologischen Nischen zu füllten, die zuvor die Dinosaurier besetzt hatten.

Um Einblicke in die Entwicklung in dieser Ära zu gewinnen, haben die Wissenschaftler um Steve Brusatte von der University of Edinburgh nun Fossilien von insgesamt 124 ausgestorbenen Arten untersucht, die von der Frühzeit der Säugetierentwicklung bis in die mittlere Erdneuzeit stammen. Ihre Studie war dabei besonders reich an Daten für den entscheidenden Zeitraum unmittelbar nach dem Ende der Kreidezeit. Im Rahmen der Untersuchungen erfassten die Wissenschaftler die Körpergrößen der Tiere und die Merkmale ihrer Gehirne. Neben der generellen Größe untersuchten sie mittels CT-Scan dabei auch Strukturen in den Schädeln, die Hinweise auf den Entwicklungszustand bestimmter Hirnbereiche liefen konnten.

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Große Pioniere mit wenig Grips

Aus den Ergebnissen ging hervor, dass die Größe der Gehirne von Säugetieren im Vergleich zu ihrem Körpergewicht in den ersten zehn Millionen Jahren nach dem Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren zunächst abgenommen hatte. Die Detailergebnisse der Scans deuten dabei auch darauf hin, dass sich diese Tiere eher stark auf ihren Geruchssinn verließen und dass ihr Sehvermögen und andere Sinne vergleichsweise wenig gut entwickelt waren, berichten die Wissenschaftler. Erst später kehrte sich der Trend dann um. Offenbar war es demnach zunächst wichtiger, groß zu sein als intelligent, um in der Zeit nach dem Massenaussterben Erfolg zu haben. Mit anderen Worten: “Die Säugetiere, die die Dinosaurier ablösten, waren zunächst ziemlich dumm“, bringt Seniorautor Brusatte das Ergebnis auf den Punkt.

Den Wissenschaftlern zufolge verdeutlichen die Befunde damit erneut, dass große Gehirne und leistungsstarke Sinnessysteme nicht unbedingt vorteilhaft sind, um evolutionären Erfolg zu haben. “Große Gehirne sind teuer im Unterhalt und wären, wenn sie nicht notwendig waren, um Ressourcen zu erwerben, wahrscheinlich nachteilig für das Überleben der frühen Säugetiere in dem Chaos und den Umwälzungen nach dem Asteroideneinschlag gewesen”, erklärt Erstautorin Ornella Bertrand von der University of Edinburgh.

Doch im späteren Verlauf änderte sich dies dann: Wie die Untersuchungsergebnisse der Wissenschaftler dokumentieren, kam es nach der etwa zehn Millionen Jahre andauernden Phase der eher schwachköpfigen Säuger vor allem bei einigen der moderneren Vertreter zur Entwicklung immer größerer Gehirne sowie von komplexeren Sinnesleistungen und motorischen Fähigkeiten. Den Grund sehen die Wissenschaftler darin, dass es zu einem zunehmenden Wettbewerb um Ressourcen gekommen war. Die Investitionen in mehr Grips konnten sich dann offenbar zunehmend auszahlen und die Kosten für das teure Nervengewebe übertreffen.

Quelle: University of Edinburgh, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.abl5584

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