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Schlaue Raben

Erde|Umwelt

Schlaue Raben
Raben, Krähen und ihre Verwandten sind Meister im Verwenden von Werkzeugen und entwerfen sogar selbst Hilfsmittel. Zudem können sie sich in andere hineinversetzen, verstehen physikalische Zusammenhänge, können einschätzen, wie viel ihre Artgenossen wissen und sich darauf einstellen sowie für die Zukunft planen. Wissenschaftler glauben daher mittlerweile: Die Vögel sind genauso intelligent wie Schimpansen.

Eitel, dumm, hinterhältig, besserwisserisch und mit dem Spottnamen „Pflückebeutel“ belegt – in vielen Geschichten kommen Raben nicht besonders gut weg. Bestes Beispiel: In der Fabel lässt er sich vom schlauen Fuchs mit simpelsten Mitteln austricksen. Hätte diese Begegnung zwischen Fuchs und Rabe allerdings in der Realität stattgefunden, wäre es wohl der Fuchs gewesen, der den Kürzeren gezogen hätte. Denn Rabenvögel, wissen Forscher heute, sind trotz ihres lediglich walnussgroßen Gehirns nicht nur außerordentlich intelligente Vögel, sie scheinen in manchen Disziplinen sogar Schimpansen zu schlagen.

„Menschenaffen müssen sich ihre Spitzenposition in Sachen tierischer Intelligenz mit den Raben teilen. Denn Raben können fast alles, was Schimpansen auch können“, bringt es der Zoologe Thomas Bugnyar in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „bild der wissenschaft“ auf den Punkt. So sind sie beispielsweise Meister im Verwenden und Entwerfen von Werkzeugen – nicht nur, weil sie gute Beobachter sind, sondern vor allem weil sie physikalische Zusammenhänge verstehen können.

Das demonstrierte etwa die Neukaledonische Krähe Betty 2002 in einem Labor der Universität Oxford. Ihre Aufgabe: ein Eimerchen mit Futter mit Hilfe eines gebogenen Drahtes aus einer Röhre ziehen. Zur Verfügung stand dabei eine ganze Reihe von Drähten, von denen allerdings lediglich ein einziger den richtigen Haken aufwies. Da ihr dieser jedoch von ihrem Bruder, der ebenfalls am Test teilnahm, weggeschnappt worden war, entschied sich Betty kurzerhand für einen anderen Draht und bog ihn sich passgenau zurecht – ohne zuvor jemals Erfahrungen mit Metalldrähten gemacht zu haben.

Ähnlich ausgeklügelt ist die Taktik, die einige Rabenkrähen aus Tokio für das Nüsseknacken entwickelt haben. Anstatt die Nüsse einfach auf den Boden fallen zu lassen, werfen sie sie auf die Straße, um sie von Autos überfahren zu lassen. Der Clou: Die Vögel benutzen dabei Zebrastreifen und deponieren die Nüsse ausschließlich dann, wenn die Autos Rot haben. In der nächsten Grünphase beobachten sie lediglich, wie die Reifen die Nussschalen aufbrechen, um schließlich beim nächsten Rot für die Autos seelenruhig über den Zebrastreifen zu ihrem Snack zu spazieren.

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Selbst wenn sie um die Ecke denken müssen, um an eine leckere Belohnung zu kommen, stehen die Krähenvögel den Schimpansen in nichts nach. Ebenfalls in Oxford platzierte der Biologe Alex Taylor seine Krähen vor einem Gitter, hinter dem sich ein leckeres Stückchen Fleisch befand, und gab ihnen ein Stöckchen. Das war allerdings zu kurz, um an das Futter zu kommen, reichte jedoch aus, um hinter einem zweiten Gitter ein längeres Werkzeug hervorzuangeln – was die Krähen auch anstandslos taten. Die Vögel können also sogenannte Analogieschlüsse ziehen, schlussfolgern die Forscher – eine Fähigkeit, die bisher ausschließlich Menschen und anderen Menschenaffen zugeschrieben wurde.

Zudem besitzen Krähenvögel ein ausgezeichnetes Gedächtnis und können sogar für die Zukunft planen. So verstecken Buschhäher jedes Jahr Futter an bis zu 30.000 Stellen, von denen sie nicht nur fast alle wiederfinden, sondern von denen sie außerdem wissen, welche schnell verderbliche Würmer und welche länger haltbare Nüsse enthalten. Auch im Labor zeigen sie ein Talent für Vorratsplanung: Haben die Tiere einmal die Erfahrung gemacht, dass es nicht jeden Tag Futter gibt, plündern sie bei nächster Gelegenheit die zugänglichen Vorräte, um für den nächsten Notfall gerüstet zu sein.

Als wäre das noch nicht genug, sind Rabenvögel auch noch gute Empathen. Sie können sich sehr gut in ihre Artgenossen hineinversetzen und einschätzen, was diese wissen und was nicht. So lassen sie sich beim Verstecken von Schätzen normalerweise nicht gerne beobachten. Haben sie doch einmal Zuschauer, werden diese anschließend sehr genau überwacht und verscheucht, sobald sie in die Nähe des Verstecks kommen – im Gegensatz zu fremden Vögeln, denen der Zutritt erlaubt wird. Ist eine Überwachung nicht möglich, buddeln die Krähenvögel in einem unbeobachteten Moment ihre Beute wieder aus und verstecken sie neu.

Doch wie kommt es, dass Raben und ihre Verwandten eine solche Intelligenz entwickelt haben? Forscher glauben, dass die Tiere darin dem Menschen ähneln, berichtet „bild der wissenschaft“: Sie leben in allen möglichen Arten von Lebensräumen, in komplexen sozialen Gemeinschaften, in denen Lug und Betrug an der Tagesordnung sind. Um zu überleben, müssen sie miteinander und mit anderen kooperieren oder sie austricksen. Viele Rabenvögel sind wie der Mensch Generalisten. Ihre ökologische Nische, ihr besonderer Überlebensvorteil ist ihre Flexibilität – und dafür braucht es nun einmal Intelligenz und ein ständiges kognitives „Wettrüsten“.

Soviel Cleverness hat allerdings eine Nebenwirkung: Um sie zu schulen, muss man experimentierfreudig sein – und Dinge tun, die scheinbar völlig unsinnig sind. So rodeln Kolkraben auf dem Bauch Schneehänge herunter, Dohlen setzen sich auf Autospiegel, um rasant in der Gegend herumgefahren zu werden und Saatkrähen picken auch schon einmal an Autoreifen herum und lassen sich dann die herauszischende Luft ins Gesicht blasen. Einen Überlebensvorteil bietet das erstmal nicht. Aber es scheint den Vögeln Spaß zu machen – und wer so etwas Komplexes wie Spaß empfinden kann, der muss schon ganz schön schlau sein.

ddp/wissenschaft.de – ===Thomas Willke
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