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„Schlechte“ Schauspielerei mit Schutzfunktion

Kuriose Springspinne

„Schlechte“ Schauspielerei mit Schutzfunktion
Die Springspinne Siler collingwoodi ist in raffinierter Weise wie eine Ameise unterwegs. © Yuchang Chen

Anstatt zu hüpfen, krabbelt sie raffiniert: Forscher berichten über eine kleine Springspinne, die die Bewegungen von Ameisen nachahmt, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Interessanterweise hat sie ihre Darbietung dazu allerdings nicht etwa perfektioniert, sondern offenbar gezielt vereinfacht. Durch ihre „imperfekte“ Schauspielqualität kann die Spinne vermutlich gleich mehrere Arten der wehrhaften Insekten imitieren, erklären die Wissenschaftler.

Sie tun nur so, als ob sie gefährlich wären: Einige harmlose Tiere machen sich das Erscheinungsbild wehrhafter Arten in ihrem Lebensraum zunutze, um Feinde abzuschrecken. Oft basiert diese sogenannte Mimikry dabei auf der Imitation des Aussehens – wie etwa bei harmlosen Fliegenarten, die durch eine gelb-schwarze Zeichnung vom abschreckenden „Image“ der Wespen profitieren. Daneben ist allerdings auch die Strategie der Verhaltens-Mimikry bekannt: Manche Insektenarten ahmen erstaunlich perfekt die charakteristischen Bewegungen von wehrhaften Lebewesen ihrer Heimat nach.

Ein Beispiel dafür sind bestimmte Vertreterinnen aus der Gruppe der Springspinnen. Statt sich wie ihre Verwandten hüpfend fortzubewegen, krabbeln sie in einer charakteristischen Weise. Es scheint offensichtlich, dass sie dadurch Ameisen imitieren, um Räuber abschrecken. Denn diese Insekten sind durch scharfe Beißer und spritzige Säuredrüsen bewaffnet und deshalb als Beutetiere unbeliebt. Das Konzept der Ameisenimitation haben die Forscher um Hua Zeng nun bei der Springspinnenart Siler collingwoodi untersucht, die in Asien auf Blütenpflanzen Jagd auf winzige Insekten macht. Sie selbst steht wiederum ebenfalls im Visier von Räubern – etwa von anderen Spinnenarten. Die Forscher wollten nun genauer wissen, welche Ameisenart die kleine Krabblerin nachahmt und inwieweit sie das Konzept tatsächlich vor Fressfeinden schützt.

Eine Ameisen-Schauspielerin im Visier

Die Forscher sammelten dazu Exemplare von S. collingwoodi in verschiedenen Regionen Chinas und brachten sie ins Labor. Außerdem besorgte sich das Team Exemplare von fünf gemeinsam mit diesen Spinnen vorkommenden Ameisenarten, von denen sie annahmen, dass sie ihnen als Modell dienen könnten. Zum Vergleich untersuchte das Team auch Springspinnen einer „normalen“ Art, die keine Ameisen nachahmt. Im Labor charakterisierten und verglichen die Forscher die Bewegungen der Ameisen und Spinnen dann durch Videoaufzeichnungen und anhand von Modellen.

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So wurde detailliert deutlich, in welcher Weise S. collingwoodi Ameisen nachahmt: Sie hebt dazu ihre Vorderbeine an, um die Fühler einer Ameise zu imitieren und bewegt ihren Unterleib sowie die Beine in charakteristischer Weise. Doch wie das Team hervorhebt, zeichnete sich dabei ab, dass diese Nachahmung nicht auf eine bestimmte Ameisenart abgestimmt ist. Es handelt sich ihnen zufolge im Gegensatz zu anderen bekannten Fällen des Konzepts um eine ausgesprochen „imperfekte Mimikry“. “S. collingwoodi ist keine spezialisierte Nachahmerin, ihr Laufstil ähnelt dadurch aber demjenigen von gleich mehreren Ameisenarten”, so Zeng. Dem Forscher zufolge gibt es für diese unvollkommen erscheinende Anpassung somit eine plausible Erklärung: Die eher grundlegende Imitation könnte den Spinnen flexiblen Schutz in Regionen vermitteln, in denen unterschiedliche Ameisenarten dominieren. Dies könnte der Art somit größere Verbreitungsmöglichkeiten eröffnen.

Bewegungs-Mimikry in Kombination mit Tarnung

Dass das Konzept effektiv wirkt, konnten die Forscher durch Versuche mit potenziellen Fressfeinden von S. collingwoodi zeigen: Bei diesen Räubern handelt es sich um Springspinnenarten, die es auf andere Vertreterinnen ihrer Gruppe abgesehen haben. Wie das Team berichten, zeigten Tests mit solchen Raubspinnen: Wenn sie die Wahl zwischen den Ameisen nachahmenden und „normalen“ Springspinnen hatten, mieden sie stets die Schauspielerinnen. Deren Darbietungsqualität reicht somit zum Schutz aus und es ist zudem vermuten: Wenn diese Spinnen den Laufstil einer bestimmten Ameisenart zu perfekt nachahmen würden, könnte der Abschreckungseffekt weniger breitenwirksam sein.

Das Ameisen-Schauspiel schützt die kleinen Spinnen allerdings nicht gegen einen größeren Feind, zeigten weitere Experimente: Gottesanbeterinnen schnappen sich die Ameisen-Schauspielerinnen genauso gern wie andere Springspinnen. Doch diese Räuber brauchen wohl auch weniger Angst vor einem versehentlichen Angriff auf eine Ameise zu haben, erklären die Forscher. Denn Gottesanbeterinnen sind im Gegensatz zu den Raubspinnen viel größer als ihre Beutetiere. Gegen die Fangschrecken schützt sich S. collingwoodi aber offenbar durch ein zusätzliches Konzept, wie die Wissenschaftler im Rahmen ihrer Studie durch visuelle Vergleiche belegen konnten. Durch ihre bunte Färbung ist die raffinierte Ameisen-Schauspielerin in ihrem typischen Lebensumfeld auch gut getarnt: Auf den rötlichen Blüten eines in China verbreiteten Strauchs ist sie für die Gottesanbeterinnen schwer zu erkennen.

Quelle: Cell Press, Fachartikel: iScience, doi: 10.1016/j.isci.2023.106747

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