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Schleichende Vergiftung bedroht Greifvögel

Habicht und Co

Schleichende Vergiftung bedroht Greifvögel
Besonders Habichte, aber auch Rotmilane oder Seeadler sammeln häufig Giftstoffe in ihren Körpern an. (Bild: Oliver Krone/Leibniz-IZW)

Trauriger „Sinkflug“: In Deutschland schwinden die Greifvögel-Bestände. Einer der Gründe dafür könnten schleichende Vergiftungen sein, geht aus einer Studie hervor. Neben Medikamenten und Pestiziden nehmen die Raubvögel vor allem Bekämpfungsmittel gegen Nagetiere über die Beute auf. Da sich die Substanzen anreichern, entstehen teilweise kritische Konzentrationen, berichten die Wissenschaftler. Besonders betroffen sind aasfressende und stadtnah lebende Tiere, aber auch in Seeadlern wurden Gifte festgestellt.

Europa und Nordamerika sind besonders betroffen – bei vielen Vogelarten ist ein erheblicher Rückgang der Bestände zu verzeichnen. Die Gründe dafür erscheinen vielfältig: Die intensive Landwirtschaft, der Rückgang von Insektenpopulationen sowie die Urbanisierung machen den Tieren zu schaffen. Als ein weiterer Faktor gilt allerdings auch der Eintrag verschiedener Chemikalien in die Natur, die sich über die Nahrungskette in den Vögeln anreichern.

Inwieweit Pestizide, Medikamente und andere Gifte speziell die Greifvögel betreffen, haben nun Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin untersucht. „Es ist bekannt, dass Greifvögel besonders empfindlich auf Schadstoffe reagieren, die sich in ihren Körpern akkumulieren“, erklärt Co-Autor Oliver Krone. Für ihre Studie analysierten sie, welche Substanzen in rund 190 zwischen 1996 und 2018 in Deutschland tot aufgefundenen Greifvögeln vorkommen. Zu den untersuchten Vogelarten zählten Rotmilane, Habichte, Sperber, Seeadler und Fischadler.

Häufig Nagetiergifte nachgewiesen

Wie die Forscher berichten, stellten sie besonders häufig kritische Anreicherungen von Nagetiergiften fest: Bei mehr als der Hälfte der Vögel wiesen sie Rodentizide im Lebergewebe nach, in etwa 30 Prozent fanden sie mehr als eines der insgesamt sechs Gifte gegen Ratten und Mäuse. „Unsere Studie zeigt, dass die Rodentizid-Kontamination eine Bedrohung für Raubvögel in Deutschland darstellt“, resümieren Badry und sein Team. Besonders häufig wurden Blutgerinnungshemmer wie Difenacoum gefunden, die typischerweise gegen Nagetiere in der Land- und Forstwirtschaft und in Städten eingesetzt werden.

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„Wir fanden die Rodentizid-Rückstände im Lebergewebe von mehr als 80 Prozent der untersuchten Habichte und Rotmilane“, sagt Badry. Bei gut 15 Prozent beider Arten lagen die Konzentrationen über 200 Nanogramm pro Gramm Körpergewicht, was laut der Forscher ein Hinweis auf eine akute Vergiftung ist. „Bei Seeadlern fanden wir in knapp 40 Prozent unserer Proben Rodentizide in niedrigeren Konzentrationen, während die Akkumulation bei Sperbern und Fischadlern gering oder gleich null war“, berichtet Erstautor Alexander Badry.

Pestizid- und Medikamenten-Rückstände

Neben den Nagetiergiften wiesen die Wissenschaftler auch Arzneistoffe in den toten Raubvögeln nach. Bei rund 14 Prozent der Tiere identifizierten sie Spuren des Schmerzmittels Ibuprofen – besonders häufig kamen diese Substanzen in Seeadlern und Habichten vor. Dies lässt vermuten, dass die Vögel sie über Fische und andere aquatische Beutetiere aufnehmen, die diese Substanzen wiederum zuvor über das Abwasser angereichert hatten. Dies könnte auch den Nachweis von Antibiotika bei einigen der untersuchten Vögel erklären, sagen die Forscher. Pflanzenschutzmittel-Rückstände konnten sie in den Greifvögeln ebenfalls nachweisen: In zwei Rotmilanen fand sich das seit 2019 verbotene Insektizid Dimethoat und dessen verstoffwechseltes Zwischenprodukt Omethoat. In zwei weiteren Rotmilanen identifizierten die Wissenschaftler das nur noch bis 2021 zugelassene Neonicotinoid Thiacloprid gegen Acker- und Obstschädlinge.

Wie das Team hervorhebt, erhöht sich vor allem bei den Rodentiziden das Risiko einer Vergiftung, wenn die Vögel in der Nähe von städtischen Lebensräumen leben. Denn die Nagetiergifte werden nicht nur in Ställen oder zur Feldmausbekämpfung und auf forstwirtschaftlichen Nutzflächen eingesetzt, sondern auch in Städten und Kanalisationen. Da besonders Aasfresser und in der Stadt lebende Vögel betroffen sind, müssen die Quellen von Rodentiziden entlang der Nahrungskette für Greifvögel neu bewertet werden, so die Wissenschaftler. Darüber hinaus deuten die bei Seeadlern nachgewiesenen Konzentrationen darauf hin, dass weitere Untersuchungen zu den Quellen und zur Verteilung dieser Substanzen in der Umwelt erforderlich sind, da die Gifte offenbar nicht nur auf dem Land, sondern auch in aquatischen Lebensräumen vorkommen, schreibt das Team.

Quelle: Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V., Fachartikel: Environmental Research, 2021, doi: 10.1016/j.envres.2020.110602

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