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Schmetterlinge: Sterben in Wellen

Erde|Umwelt

Schmetterlinge: Sterben in Wellen
Colias palaeno
Hochmoor-Gelbling (Colias palaeno) © T. Schmitt/ Senckenberg

Die einst so große Artenvielfalt der Schmetterlinge nimmt immer weiter ab. Die Gründe dafür und den zeitlichen Ablauf dieses Artenschwunds unter den Tagfaltern haben nun Forscher am Beispiel des Salzburger Lands untersucht. Dabei stellten sie fest, dass der Rückgang der Schmetterlingsvielfalt und -zahl in den letzten 100 Jahren nicht stetig verlief, sondern in zwei großen Wellen. Sie hängen eng mit Landschaftsveränderungen und der Intensivierung der Landwirtschaft zusammen.

Schmetterlinge gehören zu den Insekten und sind ungemein wichtig für unsere Pflanzenwelt: Ähnlich wie Bienen ernähren sie sich von Pollen und Nektar und sorgen somit für die Bestäubung der Pflanzen. Einige Pflanzenarten werden sogar ausschließlich von Faltern bestäubt. Doch es steht schlecht um die Schmetterlinge: Der Trend hin zu monotonen Ackerflächen und weg von bunten Blumenwiesen entzieht den Faltern ihre Nahrungsgrundlage und nimmt ihnen sichere Plätze zur Ablage ihrer Eier. Dies ist allerdings keine Entwicklung der letzten Jahre, sondern nahm schon deutlich früher seinen Anfang. Wann und warum war jedoch bisher unklar.

Artenschwund rekonstruiert

Daher hat ein Wissenschaftler-Team um Jan Habel von der Universität Salzburg den Artenrückgang von Tagfaltern am Beispiel des österreichischen Bundeslands Salzburg nun näher untersucht. Gegenstand ihrer Studie waren 168 Schmetterlings-Arten, die anhand von knapp 60.000 Beobachtungspunkten auf einer Fläche von über 7.000 Quadratkilometer untersucht wurden. Unter ihnen waren auch der nur noch in ungestörten Hochmoorgebieten der Region vorkommende Hochmoor-Gelbling (Colias palaeno) und das in Oberösterreich ebenfalls zunehmend seltene Rotbraune Wiesenvögelchen (Coenonympha glycerion). Zusätzlich stützten die Forschenden ihre Analyse auf Daten und Aufzeichnungen aus dem Haus der Natur in Salzburg, die bis in das Jahr 1920 zurückreichten.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts zahlreiche Arten in ihren Beständen rückläufig waren und dass es zwei größere Wellen des Artenschwunds unter den Faltern gab. „Dabei reagiert jede Art unterschiedlich auf die Veränderungen unserer Umwelt – somit gibt es für jede Art spezifische Faktoren, die zu einem Erlöschen lokaler Populationen und letztendlich zum kompletten Verschwinden der Art führen“, erläutert Co-Autor Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutschen Entomologische Institut in Müncheberg. Welche dies waren, konnten die Biologen unter anderem durch Abgleich mit historischen Landnutzungsdaten ermitteln.

Rückgang in zwei großen Wellen

Eine erste Welle des Artensterbens betraf vor allem Schmetterlinge, die in sensiblen Ökosystemen wie Mooren lebten. „Solche Lebensräume wurden schon Ende des 19. Jahrhunderts, in der Zeit des intensivsten Bevölkerungswachstums in Europa, durch die starke Ausweitung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung zerstört. In diesem Zeitraum wurden beispielsweise viele Moore und Feuchtwiesen entwässert, aber auch ehemaliges trockenes Ödland in die Bewirtschaftung überführt“, berichtet Habel. Die fortschreitende Zerstörung des Ökosystems Moor löste dann eine bis heute andauernde Populationsabnahme von Arten wie dem Hochmoor-Gelbling aus, denn diese Arten sind ausschließlich auf die Umweltbedingungen der Moore spezialisiert und können schlecht in andere Ökosysteme ausweichen.

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„Ein zweites großes Aussterbeereignis fand dann in den 1960er-Jahren statt“, berichtet Schmitt. Dabei führte insbesondere die Reduktion der Lebensraumqualität zu einem Verlust der Schmetterlingsvielfalt. Für diese Zeit konnten die Wissenschaftler vermehrt Rückgänge unter den Arten nachweisen, die in den Wiesen des Tieflands Österreichs lebten. „Verantwortlich scheint hier die zu diesem Zeitpunkt einsetzende Industrialisierung der Landwirtschaft mit intensiven Einsätzen von Pflanzenschutzmitteln und künstlichen Düngemitteln zu sein. Hierdurch verschwanden viele naturnahe Elemente der Kulturlandschaft wie blütenreiche, magere Talwiesen mit ihrer hohen Artenvielfalt. Dieser Trend ist bis heute ungebrochen negativ“, erklärt Schmitt. Die Auswertungen des Teams zeigen zudem, dass seit 1980 auch die Schmetterlingsvielfalt in montanen und alpinen Gebieten rückläufig ist – die Zerstörung natürlicher und naturnaher Landschaften ist ab diesem Zeitpunkt auch in den Gebirgslagen angekommen.

Naturschutz hat teilweise geholfen

Doch die Wissenschaftler konnten auch Positives feststellen, denn die Naturschutzmaßnahmen, die Mitte der 1990er-Jahre eingeführt wurden, machten sich in den Populationsdaten ebenfalls bemerkbar: Die auf der Roten Liste als gefährdet gelisteten Arten haben seit diesem Zeitpunkt nicht weiter abgenommen, wie die Auswertungen ergaben. „Auch das Aussterben der auf Feuchtgebiete spezialisierten Arten wurde aufgrund der dort ausgewiesenen Schutzgebiete gebremst – die Vielfalt verharrt allerdings seither auf niedrigem Niveau“, sagt Habel.

Nach Ansicht des Forschungsteams ist der alarmierende Rückgang der Schmetterlinge keine Ausnahme, sondern eine Warnung für die Vielfalt auch anderer Tierarten. Denn Schmetterlinge besiedeln eine Vielzahl von Lebensräumen und ihre Populationstrends stimmen mit vielen anderen Insektengruppen überein. Die Schmetterlinge sind daher ideal geeignet, um allgemeine Trends in der biologischen Vielfalt aufzuzeigen.

Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Fachartikel: Science of the Total Environment; doi: 10.1016/j.scitotenv.2022.158315

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