Nach jeder Unterhaltung beurteilten die beiden Gesprächsteilnehmer jeweils die Attraktivität des Gegenübers. Zudem gaben sie mit Hilfe einer Skala eine Einschätzung darüber ab, für wie offen, gewissenhaft, extravertiert, liebenswürdig, neurotisch und intelligent sie ihren Gesprächspartner hielten. Die Einschätzungen durch andere Gruppenteilnehmer verglichen die Forscher dann mit den Selbsteinschätzungen der Probanden – und kamen dabei zu einem eindeutigen Ergebnis: Eine Person wurde immer dann besonders treffend charakterisiert – verglichen mit ihrer Selbsteinschätzung -, wenn ihr Gegenüber sie als sehr hübsch empfand. Hielt ein Gruppenmitglied ein anderes für nur durchschnittlich anziehend oder gar unattraktiv, lag es mit der Einschätzung hingegen oft daneben.
Gleichzeitig bestätigt sich ein Ergebnis früherer Studien: Bei attraktiven Teilnehmern wurden positive Charaktereigenschaften verstärkt wahrgenommen. Positiver und dennoch genauer? Nur scheinbar ein Widerspruch, wie die Forscher erklären. Man nehme als Beispiel eine überaus attraktive Frau namens Jane, die deutlich organisierter sei als die meisten anderen Menschen, aber auch weniger großzügig als der Durchschnitt: Sie werde aufgrund ihres angenehmen Äußeren zwar insgesamt als organisierter und großzügiger eingestuft, als sie tatsächlich ist. „Doch unsere Studie zeigt, dass die Menschen trotz dieser Tendenz die Relationen bei den Charakterzügen korrekt einschätzen: Sie sehen, dass Jane deutlich mehr organisiert als großzügig ist“, erklärt Biesanz. „Und diese Relationen erkennen sie bei ihr besser als bei Menschen, die sie weniger attraktiv finden.“ Der Grund für die genauere Einschätzung attraktiver Menschen liegt nach Ansicht der Wissenschaftler auf der Hand: Man widme ihnen schlicht mehr Aufmerksamkeit, sei es aus Neugier, Begehren oder dem Wunsch nach Freundschaft oder einer Beziehung.