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Schutz vor Protein-Klumpen im Gehirn

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Schutz vor Protein-Klumpen im Gehirn
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Im Gehirn von Mäusen, die mit dem Wirkstoff Anle138b behandelt wurden, fanden sich weniger schädliche (braun eingefärbte) Alpha-Synuklein-Verklumpungen (rechts) als bei Vergleichstieren (links). (Foto: Giese, LMU München)
Bei Labormäusen mit Parkinson-Symptomen hilft der neue Wirkstoff Anle138b wunderbar: Er verhindert schädliche Verklumpungen von Proteinen, die letztlich die Nervenzellen töten. Forscher untersuchen nun, wie er wirkt – und ob er das Zeug hat, auch im klinischen Alltag Menschen zu helfen.

Ist das Molekül Anle138b ein heißer Anwärter darauf, das entscheidende Werkzeug oder die Basis für ein bahnbrechendes Therapeutikum im Kampf gegen Parkinson zu werden? Zumindest im Tierversuch lindert es die Beschwerden und verlangsamt den Krankheitsverlauf. Die Substanz geht auf akribische Forschung von Armin Giese von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Christian Griesinger vom Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie in Göttingen zurück, die Anfang 2013 die Fachwelt aufhorchen ließen. In der Fachzeitschrift „Acta Neuropathologica“ informierten sie über die Entwicklung einer Substanz, die das Fortschreiten einer Parkinson-Erkrankung bei Mäusen merklich verzögern können soll. Die Forscher zeigten sich bei der Vorstellung der Erkenntnisse hoffnungsvoll, dass sich auf diesem Weg Parkinson einmal ursächlich behandeln lassen könnte und die Krankheit folglich zu bremsen ist. Der Name, den die neue Hoffnung seinerzeit erhielt: Anle138b.

Angriffspunkte von Armin Giese, Christian Griesinger und ihren Teams – eine bunte, kreative Mischung aus Biologen, Chemikern, Medizinern, Physikern und Tiermedizinern – sind die parkinson-typischen Proteinablagerungen, die sogenannten Alpha-Synuklein-Verklumpungen. Anle138b wirkt im Grunde so, wie man sich das von den meisten Impfungen erhofft. Es verzögert den Prozess der Verklumpung beziehungsweise unterbindet gänzlich, dass sich die Alpha-Synuklein-Moleküle zusammenballen. Im Tierversuch ließ sich die schädigende Anhäufung der Eiweißmoleküle in bisher nicht erreichtem Ausmaß verzögern; die krankheits- beziehungsweise symptomfreie Phase der Labormäuse verlängerte sich spürbar.

Nervenzellen bleiben länger intakt

„Das Besondere an der neuen Substanz ist, dass mit ihr erstmals ein Wirkstoff direkt an den Oligomeren, also den ersten Zusammenschlüssen der Alpha-Synukleinmoleküle ansetzt und deren Bildung hemmt“, erläuterte seinerzeit Christian Griesinger, Leiter der Abteilung NMR-basierte Strukturbiologie am MPI für biophysikalische Chemie. In der Konsequenz werde damit nicht nur das Wachstum der Proteinablagerungen, sondern in bislang nicht gekanntem Ausmaße auch die Nervenzellschädigung verzögert.

Zu Beginn testeten die Forscher rund 20.000 Substanzen systematisch darauf, ob sie die krankheitstypischen Proteinverklumpungen zu verhindern vermochten. Das Screening basierte auf einer äußerst empfindlichen Laser-Methode, die der Mediziner Armin Giese – inzwischen Forschungsgruppenleiter am Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung der LMU München – Jahre zuvor im Labor des Nobelpreisträgers Manfred Eigen am Göttinger Max-Planck-Institut entwickelt hatte.

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Unter den getesteten Molekülen gab es diverse interessante Kandidaten. Eine Substanz erwies sich nach etlichen systematischen Optimierungen als besonders effektiv. Andrei Leonov, Chemiker in Griesingers Team, gelang es, daraus einen vielversprechenden Wirkstoff zu synthetisieren. Er entpuppte sich im Tierversuch an Mäusen als geradezu fantastisch in Wirkung und Bedingungen: sehr gut verträglich in den erforderlichen therapeutischen Dosen; ohne Schwierigkeiten mit der Nahrung aufzunehmen; die Blut-Hirn-Schranke problemlos durchquerend. Im Gehirn erreicht er hohe Wirkspiegel. Die Forscher tauften den – inzwischen zum Patent angemeldeten – Wirkstoff nach den ersten beiden Buchstaben des Vor- und Nachnamens Andrei Leonovs „Anle138b“.

Fitnesstest für Labormäuse

Würde Anle138b sich auch beim Menschen als therapeutischer Wirkstoff eignen? Es folgten unzählige komplexe Versuchsreihen im Reagenzglas und am Tier­modell. Dabei testeten die Forscher um Armin Giese die Wirkung von Anle138b auch direkt an Mäusen, denen man – grob verkürzt gesagt – unterschiedliche Ausformungen von Parkinson angezüchtet hatte, die also verschiedene, für die Krankheit typische symptomähnliche Beschwerden zeigten. Erhielten die Mäuse Anle138b verabreicht, konnten sie ihre Bewegungen deutlich besser koordinieren als ihre kranken, unbe­handelten Artgenossen. „Dies lässt sich mit einer Art Fitnesstest direkt zeigen und überprüfen“, erklärt Armin Giese. „Wir setzen die Mäuse auf eine kleine rotierende Walze und messen die Zeit, wie lange die Nager darauf balancieren können.“

Generell war der Behandlungserfolg umso größer und die erkrankten Tiere lebten umso länger, je früher sie Anle138b über das Futter zugesetzt bekamen. Doch nicht nur bei der Parkinson-Erkrankung war die Substanz wirksam. „Auch bei Creutzfeldt-Jakob finden wir krankmachende Protein-Verklumpungen, die bei dieser Krankheit durch das sogenannte Prion-Protein verursacht werden“, erklärt Christian Griesinger. „Und auch hier verhindert Anle138b wirkungsvoll das Zusammenlagern: Die Mäuse überleben deutlich länger.“

Zur Seite 2 des Beitrags: „Erste Einschätzungen zum neuen Wirkstoff“

Mehr zur Suche nach neuen Parkinson-Medikamenten finden Sie im neuen bdw-Themenheft „Leben mit Parkinson“, das ab sofort am Kiosk erhältlich ist.

© wissenschaft.de – Christian Jung
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