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Schwämme: Mysteriöse Wanderspuren entdeckt

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Schwämme: Mysteriöse Wanderspuren entdeckt
Hier zeichnet sich der Wanderweg eines Schwamms am Meeresgrund ab. (Bild: AWI OFOBS team, PS101)

Von wegen völlig sesshaft: Forscher haben in der antarktischen Tiefsee Spuren auf dem Grund entdeckt, die offenbar Schwämme bei ihrer Wanderschaft im Sediment hinterlassen haben. Bisher bleibt das Phänomen rätselhaft: Vermutungen dazu, wie und warum sich diese primitiven Tiere in ihrem geheimnisvollen Lebensraum fortbewegen, müssen erst weitere Untersuchungen bestätigen.

Sie besitzen spezialisierte Gewebe, aber keine Muskeln, Nerven oder Sinneszellen: Die Schwämme gelten damit als eine der primitivsten Formen tierischer Lebewesen. Seit Urzeiten besiedeln sie die aquatischen Lebensräume der Erde und haben eine große Vielfalt hervorgebracht: Über 8300 Schwamm-Arten konnten sich an viele unterschiedliche Bedingungen anpassen – von den Meerestiefen bis zu den Süßgewässern. Sie sitzen dort auf Oberflächen und filtern mit ihrem buchstäblich schwammigen Gewebe Nährstoffpartikel aus dem Wasser.

Eine Fähigkeit zur Fortbewegung scheint dafür nicht nötig zu sein und so bleiben diese gewächsartigen Wesen auch in der Regel stets an Ort und Stelle – sie gelten als sessil. Allerdings haben Studien bereits gezeigt, dass Schwämme nicht ganz so simpel und passiv sind wie lange gedacht: Sie können demnach auf mechanische Reize oder Wasserströmungen aktiv reagieren. So gab es bereits Hinweise darauf, dass sich einige Arten durch wellenartige Kontraktionen des Gewebes zumindest ein Stückchen fortbewegen können. Doch regelrechte Wanderungen, wie sie sich nun abzeichnen, waren bisher nicht bekannt.

Blick ins Reich der wandernden Schwämme

Die Forscher um Teresa Morganti vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen stießen auf das Phänomen bei der Erkundung eines entlegenen Lebensraums, der sich etwa 350 Kilometer vom Nordpol entfernt in einer Tiefe von rund 1000 bis 500 Meter erstreckt. Die Aufnahmen am sogenannten Karasik Seamount entstanden durch ein Kamerasystem, das vom Forschungseisbrecher Polarstern im Jahr 2016 über den Meeresboden bewegt wurde.

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Die Erkundungsfahrt zeigte zunächst, dass der Meeresboden dieses sehr nährstoffarmen Lebensraums von einer erstaunlich dichten Gemeinschaft aus arktischen Schwamm-Arten bedeckt ist, von denen einzelne Exemplare einen Durchmesser von über einem Meter aufweisen. Doch für die große Überraschung sorgten erst die detaillierten Analysen der hochauflösenden Abbildungen vom Meeresgrund: Es zeichneten sich im Sediment teils meterlange pfadähnliche Spuren ab, die genau dort endeten, wo lebende Schwämme saßen.

Zunächst erschien eine mögliche Erklärung, dass die rundlichen Gebilde passiv von Meeresströmungen bewegt wurden oder langsam Hänge hinab gerutscht waren. Doch die Spuren führten in alle Richtungen und sogar bergauf. „Es gibt in der arktischen Tiefsee keine so starken Strömungen, die die vorgefundenen Strukturen am Meeresboden erklären könnten“, sagt Co-Autor Autun Purser vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- Meeresforschung. Morganti führt fort: „Deshalb kommen wir zu dem Schluss, dass die Schwämme sich aktiv über den Meeresboden bewegt haben und als Ergebnis ihrer Bewegung diese Spuren hinterließen“, sodie Expertin für Schwämme.

Wie, warum und wie schnell?

Wie sie und ihre Kollegen betonen, bleiben die genaueren Hintergründe des Phänomens allerdings unklar: Bisher gibt es nur Vermutungen dazu, auf welche Weise, wie schnell und warum die Schwämme in ihrem bizarren Lebensraum wandern. Möglicherweise bewegen sie sich sehr langsam, indem sie ihre Körper zusammenziehen und wieder ausdehnen, wie es frühere Beobachtungen bei einigen Schwamm-Arten nahelegen. Gründe für die Fortbewegung könnten neben der Vermeidung von ungünstigen Umweltbedingungen und der Verbreitung von Nachkommen vor allem Strategien der Nahrungssuche sein, sagen die Forscher.

Möglicherweise bewegen sich die Tiere demnach über den Grund, um sich Nährstoffe in den Sedimenten besser zugänglich zu machen. Vielleicht ist das Verhalten somit auch damit verbunden, dass die Schwämme in dem sehr nährstoffarmen Lebensraum vergleichsweise hohe Bestände bilden können. Genauere Informationen darüber, wie und warum die Schwämme in der Tiefe des antarktischen Meeres unterwegs sind, könnten nun weitere Untersuchungen und vor allem Zeitrafferaufnahmen liefern, sagen die Wissenschaftler.

Quelle: Cell Press, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2021.03.014

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