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Social Distancing in der Natur

Wie Tiere auf Distanz gehen

Social Distancing in der Natur
Mandrills gehen strategisch mit ihrem Distanzierungsverhalten um: Sie meiden kranke Artgenossen, doch sie erhöhen manchmal ihr Infektionsrisiko, indem sie sich weiterhin um infizierte Verwandte kümmern. (Bild: ytwong/iStock)

Das Abstandhalten ist ein natürlicher Mechanismus zur Vermeidung von Ansteckungen, verdeutlichen Forscher. Anhand von Beispielen zeigen sie auf, wie verbreitet die verschiedenen Formen des Social Distancings bei Tieren sind und welche Parallelen sowie Unterschiede es dabei zum menschlichen Verhalten gibt. Daraus lassen sich auch Lehren für unseren Umgang mit Ansteckungsrisiken ziehen, sagen die Wissenschaftler.

Die Corona-Krise zwingt uns zu Verhaltensweisen, die vielen Menschen neu und unnatürlich erscheinen: Verschiedene Regeln und Maßnahmen sollen dazu dienen, mehr Distanz herzustellen, um die Übertragungsraten in der Gesellschaft einzuschränken sowie das persönliche Ansteckungsrisiko zu senken. Doch in gewisser Weise orientieren wir uns dabei an der Natur oder verstärken unsere eigenen intuitiven Reaktionen, geht aus der Übersichtsstudie des Forscherteams um Sebastian Stockmaier von der University of Texas at Austin hervor.

Die Wissenschaftler verdeutlichen dies zunächst bei der passiven Form des Social Distancings. Wie sie erklären, handelt es sich dabei um einen Nebeneffekt von Infektionen, den sicher viele aus eigener Erfahrung kennen: Wenn wir uns durch eine Erkrankung schlecht und lustlos fühlen, bleiben wir lieber im Bett als uns mit Freunden zu treffen und sorgen somit automatisch für erhöhte Distanz. Als ein markantes Beispiel für diese passive Form der sozialen Distanzierung im Tierreich heben sie das Verhalten von Vampirfledermäusen hervor: Auswertungen von Abstandsmessern auf dem Rücken von Versuchstieren haben gezeigt, dass sich kranke Individuen dieser sozial lebenden Tiere zurückziehen und deutlich weniger Zeit in der Nähe von Artgenossen verbringen. Dabei zeichnete sich auch ab, wie günstig sich diese Reduktion der Sozialkontakte auf die Ausbreitung von Infektionen unter den Tieren auswirkt.

Mit Blick auf den Menschen sagt Co-Autorin Dana Hawley von der Virginia Tech in Blacksburg dazu: „Zu Hause zu bleiben und die Interaktion mit anderen einzuschränken, ist eine intuitive Verhaltensreaktion, wenn wir uns krank fühlen – und eine, die wir bei vielen Tierarten beobachten können. Menschen unterdrücken diesen Instinkt zum Rückzug allerdings häufig, etwa wegen des Drucks, weiter Leistung zu zeigen oder aus Pflichtgefühl. Daraus können sich große Schäden für uns selbst und unsere Gemeinschaften entwickeln“, so Hawley.

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Blick auf die Formen des Abstandhaltens

Wie sie und ihre Kollegen weiter berichten, gibt es auch eine aktive Form der Selbstisolation: Entsprechend verhalten sich etwa Kranke, wenn sie sich bewusst von anderen fernhalten, um sie nicht anzustecken. Eine Parallele dazu ist von Ameisen bekannt: Bei manchen Arten verlassen kranke Individuen gezielt die Gemeinschaft. Diese Reaktionen betrachten die Forscher als einen selbstlosen Dienst für das Gemeinwohl: Die aktive Selbstisolation schützt den Rest der Kolonie vor einer Ansteckung. Bei Bienen ist hingegen ein Beispiel für den Fall dokumentiert, bei dem die gesunden Individuen gezielt für Distanz zu den Kranken sorgen, um die Gemeinschaft zu schützen. Durch bestimmte Anzeichen können die Insekten manche Erkrankungen bei ihren Stockgenossen erkennen und reagieren dann recht rabiat: Die Infizierten werden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.

Bei anderen Arten sind es hingegen die gesunden Individuen, die die Gruppe verlassen, um sich vor Krankheiten zu schützen, berichten die Forscher. Ein Beispiel dafür findet sich bei Karibik-Langusten: Um dem Risiko zu entgehen, sich ein Virus einzufangen, verlassen die Tiere ihre Gruppe, sobald sie wahrnehmen, dass ein Mitglied infiziert ist. Offenbar wiegt dieses Verhalten die Nachteile auf, die mit dieser Reaktion ebenfalls verbunden sind – denn die Langusten verlieren den Schutz der Gruppe. Doch dieses Risiko ist offenbar geringer als die Gefährdung durch das Virus. Parallelen zur Corona-Pandemie liegen auch in diesem Fall auf der Hand: In der Regel stehen Kosten und Vorteile der sozialen Distanzierung einander gegenüber.

Intuitives Vermeidungsverhalten

Ähnlich wie der Mensch gehen auch viele Tiere instinktiv auf Distanz, wenn sie bei einem Artgenossen die Anzeichen einer möglicherweise ansteckenden Erkrankung wahrnehmen, berichtet das Team. Dies ist etwa bei Guppys dokumentiert: Die Fische gehen Artgenossen aus dem Weg, die deutliche Anzeichen für eine Infektion aufweisen. Vergleichbares Verhalten hat vermutlich auch schon jeder von uns einmal gezeigt. „Wir besitzen einige Verhaltensweisen, um unser Krankheitsrisiko zu minimieren, die wir ohne nachzudenken zeigen, weil es evolutionär in uns verankert ist“, so Hawley.
„Wenn wir beispielsweise in einem Flugzeug sitzen und jemand neben uns hustet, vermeiden wir eher eine Unterhaltung, oder lehnen uns auffallend zur Seite, um für Abstand zu sorgen“, sagt Hawley.

Ähnlich vermeiden auch Mandrills den Kontakt zu krank wirkenden Gruppenmitgliedern, berichten die Forscher. Diese sozial lebenden Primaten gehen jedoch offenbar ähnlich wie wir strategisch mit ihrem sozialen Distanzierungsverhalten um: Sie neigen dazu, ihr Infektionsrisiko manchmal zu erhöhen, indem sie sich weiterhin um infizierte nahe Verwandte kümmern. Wenigstens genießen wir dabei einige Vorteile, betonen die Forscher abschließend: Im Gegensatz zu den Tieren können wir Kommunikations-Technologien nutzen, die zumindest einige soziale Verbindungen und Brücken schaffen können, während eine sichere physische Distanz erhalten bleibt.

Quelle: Virginia Tech, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.abc8881

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