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Sogar Konkurrenten können hilfreich sein

Raffinierte Insekten-Strategie

Sogar Konkurrenten können hilfreich sein
Ein Tabakschwärmer bei der Eiablage. (Bild: Danny Kessler, Max Planck Institute for chemical ecology)

Einer überraschenden Vorliebe auf der Spur: Forscher haben aufgedeckt, warum eine Falterart bei der Eiablage Nahrungspflanzen bevorzugt, die bereits von konkurrierenden Käfern befallen sind. Dies schützt den Nachwuchs vor einem Feind. Denn eine parasitische Wespenart, die es auf die Larven des Tabakschwärmers abgesehen hat, meidet den Geruch von Käfer-befallenen Pflanzen. Deshalb hat der Tabakschwärmer für die Eiablage offenbar ein „feines Näschen“ für bereits besetzte Wirtspflanzen entwickelt, geht aus der Studie hervor.

Erstaunliche Wechselbeziehungen und raffinierte Anpassungen – zur faszinierenden Vielschichtigkeit der Natur gehören auch die zahlreichen Strategien von Lebewesen, ihren Nachkommen optimale Überlebenschancen zu verschaffen. Im Fall der Insekten spielt dabei die Wahl des Eiablageplatzes eine entscheidende Rolle. Ein wichtiger Aspekt ist: Die Larven sollten nach dem Schlüpfen ausreichend Nahrung vorfinden. Am Beispiel des Tabakschwärmers haben Forscher bereits in einer frühen Studie belegt, dass manche Insekten dafür in komplexer Weise sorgen: Die Falter legen ihre Eier ungern auf Pflanzen, bei denen sie den Kot ihrer Artgenossen riechen. „So wollen sie offenbar Nahrungskonkurrenz vermeiden. Daher fragten wir uns zunächst, ob die Falter auch Pflanzen meiden, die von anderen pflanzenfressenden Insekten befallen sind“, sagt Jin Zhang vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena.

Paradox wirkendes Anfangsergebnis

Um dies zu untersuchen, führten er und seine Kollegen Versuche mit Tabakschwärmerweibchen und Pflanzen des Stechapfels Datura wrightii durch, die von der Kartoffelkäferart Lema daturaphila befallenen waren. Dabei entstanden allerdings zunächst unlogisch erscheinende Ergebnisse: Die Tabakschwärmerweibchen mieden diese Pflanzen nicht, sondern legten dort sogar noch lieber ihre Eier ab als auf Exemplaren, die nicht von den Käfern besiedelt waren. „Um ehrlich zu sein, waren wir zunächst ein wenig frustriert, weil wir erwartet hatten, dass die Experimente unsere Ausgangshypothese bestätigen würden, nämlich, dass eierlegende Tabakschwärmerweibchen möglichen Nahrungskonkurrenten aus dem Weg gehen“, berichtet Seniorautor Markus Knaden.

Doch dann kam den Forscheren ein Verdacht auf: Das Verhalten könnte mit einem anderen bekannten Aspekt der Wahl des Eiablageplatzes zu tun haben – dem Schutz der Nachkommen vor Fressfeinden. Im Fall des Tabakschwärmers kam dabei vor allem die kleine parasitäre Wespenart Cotesia congregata in Frage. Sie legt ihre Eier in die Raupen der Falter. Nachdem sich die Larven in ihnen entwickelt haben, sterben die Opfer und aus ihnen schlüpfen dann junge Wespen. Oft fällt ein Großteil der Falter-Brut den Parasiten zum Opfer.

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Um ihrem Verdacht nachzugehen, untersuchten die Forscher im Rahmen ihrer Studie deshalb auch die Reaktionen der Wespen. Wie zu erwarten war, wurden die Parasiten vom Geruch von Pflanzen anzogen, an denen ihre Opfer – die Tabakschwärmerraupen – fraßen. Diese Anziehungskraft war aber deutlich schwächer ausgeprägt, wenn die Pflanzen gleichzeitig von Kartoffelkäfern befallen waren, zeigten die Experimente. Dafür war der spezielle Geruch verantwortlich, der bei diesem Befall entsteht, erklären die Forscher. „So ergab das Anfangsergebnis plötzlich einen Sinn“, sagt Knaden. Die weiblichen Falter nehmen demnach den Nachteil gezielt in Kauf, der durch die Konkurrenten für ihre Nachkommen entsteht. Denn er wird offenbar durch die Schutzfunktion gegenüber den parasitischen Wespen übertroffen.

Beispiel biologischer Vielschichtigkeit

Wie die Wissenschaftler durch weitere Analysen zeigen konnten, hat dieser Vorteil dazu geführt, dass der Tabakschwärmer ein „feines Näschen“ für die Käfer-befallenen Pflanzen entwickelt hat. Vergleichende Untersuchungen ergaben dabei auch Hinweise darauf, auf was die Falter reagieren: Im Duftbouquet der von Käfern befallenen Pflanzen stießen die Forscher auf erhöhte Werte der Substanz Alpha-Copaen. Durch molekularbiologische Methoden konnte das Team dann auch zeigen, dass ein spezieller Geruchsrezeptor der Tabakschwärmer auf diesen Stoff reagiert. Wahrscheinlich beeinflusst er demnach die Wahl des Eiablageorts der Weibchen.

Den Forschern zufolge handelt es sich bei dem System um ein interessantes Beispiel für die oft erstaunlich vielschichtigen Zusammenhänge in der Biologie: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass in der Natur einfache Erklärungen oftmals nicht ausreichen. Tabakschwärmer müssen nicht nur berücksichtigen, ob eine Pflanze als Nahrung für ihre Nachkommen geeignet ist, sondern auch, ob es bereits potenzielle Konkurrenten gibt, und ob deren Anwesenheit sogar dabei hilft, Gefahren durch Fressfeinde zu umgehen“, resümiert Co-Autor Bill Hansson die Entdeckung.

Quelle: Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2021.12.021

 

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