Kleinkinder, die mit 14 Monaten häufig gestikulieren, verfügen im Alter von viereinhalb Jahren über einen größeren Wortschatz als ihre gestikulationsfaulen Altersgenossen. Das haben US-Wissenschaftler in einer Langzeitstudie an fünfzig Familien herausgefunden. Besonders häufig benutzen Kinder aus sozial besser gestelltem Elternhaus ihre Hände, um auf etwas zu zeigen, weil die Eltern mehr über Zeichensprache mit ihnen kommunizierten.
Für ihre Untersuchungen filmten die Forscherinnen die Kleinkinder mit 14 Monaten und dann erneut mit viereinhalb Jahren zusammen mit dem Elternteil oder dem Menschen, der die Kinder hauptsächlich betreut hatte. Die Aufnahmen in ihrer normalen häuslichen Umgebung dauerten neunzig Minuten. Anschließend zählten die Wissenschaftlerinnen die Anzahl der Gesten, denen die Kinder eine Bedeutung beimaßen, und der benutzen Wörter von Kindern und Eltern. Zeigt ein Kind beispielsweise auf einen Hund, verzeichneten die Wissenschaftlerinnen dies als die Geste „Hund“. Durchschnittlich kennt ein 14 Monate altes Kind nahezu 21 solcher Gestikulationstypen.
Eine Erklärung, wie die Gestik des Kindes zu einem größeren Wortschatz führt, haben die Forscherinnen auch parat. Die Mutter reagiert beispielsweise auf den Fingerzeig ihres Sprösslings, indem sie ihm erklärt, was es sieht. Das Kind seinerseits benutzt die Hände, um sich seiner Umwelt mitzuteilen, wenn es bestimmte Dinge noch nicht aussprechen kann.
Bereits in der Vergangenheit zeigten Studien, dass der sozioökonomische Hintergrund Einfluss darauf hat, wie viele Wörter ein Kind verwendet. Bisher nahmen die Forscher an, dass Kinder, deren Eltern viel mit ihnen sprachen und ein komplexes Vokabular benutzten, später auch wortgewandter sind. Wie die Wissenschaftlerinnen aus Chicago jetzt herausfanden, wirken sich sozioökonomische Unterschiede bereits mit 14 Monaten auf die Gestik aus, noch bevor sich die Kinder in ihrer gesprochenen Sprache unterscheiden. Die Forscherinnen folgern daraus, dass sowohl die Gestik als auch die Kommunikation für die Sprachentwicklung des Kindes wichtig sind. Falls sich diese Ergebnisse bestätigen lassen, könnten Kleinkinder deutlich bessere Sprachfähigkeiten erlangen, wenn ihre Eltern häufiger Zeichensprache einsetzen.
Meredith Rowe und Susan Goldin-Meadow (Universität von Chicago) Science (Bd. 323, S. 951). ddp/wissenschaft.de ? Helmine Braitmaier