“Aber damit dieses Prinzip funktioniert, muss es regnen und die Oberfläche muss zudem so ausgerichtet sein, dass die Tropfen durch die Schwerkraft von selbst abfallen oder hinunterrollen”, sagt Studienleiter Chuan-Hua Chen von der Duke University in Durham. Das aber ist der Haken. Denn viele Zikaden leben in Gebieten, in denen es lange Zeit nicht regnet – manchmal während der gesamten Lebenszeit einer Zikade nicht, wie der Forscher erklärt. Dafür aber ist die Luftfeuchtigkeit im Lebensraum der Insekten meist ziemlich hoch.
Tropfen springen von selbst in die Luft
Um herauszufinden, wie die Zikaden unter diesen Bedingungen trotzdem ihre Flügel sauber halten, haben Chen und seine Kollegen das Geschehen an den Nanostrukturen mit Hilfe einer Hochgeschwindigkeits-Mikroskop-Kamera eingefangen. Dazu befestigten sie Stücke der Flügelhaut in einer Plexiglaskammer mit hoher Luftfeuchtigkeit und filmten einen kleinen Ausschnitt der Oberfläche. In weiteren Experimenten gaben sie zusätzlich Pollen oder kleine Kunststoffpartikel auf den Flügelausschnitt, um zu ermitteln, wie gut solche Fremdkörper entfernt werden.
Die Aufnahmen enthüllten Erstaunliches: Die spezielle Struktur der wasserabweisenden Nano-Oberfläche führt dazu, dass die Luftfeuchtigkeit kondensiert – es bilden sich Tautropfen auf den Nanospitzen. Das Entscheidende aber geschieht, wenn zwei solcher Tautropfen zusammentreffen und verschmelzen: Diese Verschmelzung setzt Energie frei, die den entstehenden Kombitropfen wie von Geisterhand in die Luft katapultiert. “Der Tropfen sprang selbstständig von der Oberfläche weg – auch gegen die Schwerkraft”, berichten die Forscher. Die Schubkraft dieses Prozesses reiche aus, um auch bis zu 100 Mikrometer große Schmutzpartikel mitzunehmen, die zuvor in den Tropfen eingeschlossen wurden.
Vorbild für effektivere selbstreinigende Oberflächen
Und selbst Ansammlungen mehrerer Schmutzteilchen werden dank der besonderen Eigenschaften der Zikaden-Flügel beseitigt, wie das Experiment zeigte. “Wenn darauf liegende Partikelklumpen hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt wurden, bildeten sich Brücken aus flüssigem Wasser zwischen ihnen”, beschreiben die Forscher den Prozess. Dies führt dazu, dass die Partikel noch enger zusammen klumpen. Wenn dann noch mehr Wasser kondensiert, springt der gesamte Komplex von der Oberfläche weg, wie die Highspeed-Aufnahmen zeigten. Dieser Mechanismus sei einzigartig für solche superhydrophoben Oberflächen – und sehr effektiv, um sowohl organische als auch künstliche Partikel zu entfernen, konstatieren Chen und seine Kollegen.
Die neuen Erkenntnisse könnten dabei helfen, bessere selbstreinigende Oberflächen zu entwickeln. Diese würden dann im Gegensatz zum Lotus-Effekt auch ohne Regen sauber bleiben und dies unabhängig davon, ob sie senkrecht oder waagerecht liegen. “Nanostrukturierte Oberflächen mit dem Springende-Tropfen-Mechanismus funktionieren in jeder räumlichen Orientierung, das ist ein großer Vorteil beispielsweise für mobile Elektronik oder für Dächer”, sagt Chen.