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Stressiges Stadtleben

Erde|Umwelt Gesellschaft|Psychologie

Stressiges Stadtleben
Es ist wie in Äsops Fabel von der Stadt- und der Landmaus: Im ländlichen Raum lebt man etwas bescheidener, aber dafür entspannter. Die Stadt dagegen bietet zwar allen Luxus, hält einen aber auch ganz schön auf Trapp. Dass der Großstadt-Dschungel sogar in den Gehirnen ihrer Bewohner Spuren hinterlässt, hat nun erstmals eine Studie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim gezeigt: Speziell zwei Hirnregionen, die Emotionen verarbeiten, sind bei Städtern unter Stress aktiver als bei Landeiern.

Menschen, die in Städten leben, haben ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen wie Angststörungen oder Schizophrenie. Das ist aus früheren Untersuchungen bekannt. Welche neuronalen Prozesse allerdings dahinterstecken, war bisher unklar. Nun hat ein deutsch-amerikanisches Team um die Mannheimer Psychiater Florian Lederbogen und Andreas Meyer-Lindenberg einen Zusammenhang zwischen dem städtischem Trubel und der Stressverarbeitung im Gehirn gefunden. Sie hatten dazu 32 Studenten den ?Montreal Imaging Stress Task?, einen gängigen Stress-Test, machen lassen, bei dem unter Zeitdruck schwierige mathematische Aufgaben gelöst werden müssen. Zwischendurch erhielten die Teilnehmer über Kopfhörer zudem negatives Feedback von den Versuchsleitern. Das verstärkte den Stress, wie ein erhöhter Blutdruck und ein hoher Cortisolspiegel verrieten.

Mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) zeichneten die Forscher während des Experiments zudem die Hirnaktivität der Probanden auf. Das Resultat: Bei den Probanden, die aktuell in der Stadt leben, war die Aktivität der Amygdala deutlich erhöht. Diese Hirnregion ist an der Verarbeitung von Emotionen wie Angst und auch an der Entstehung von Depressionen beteiligt. Desweiteren stellten die Forscher fest, dass bei den Versuchsteilnehmern, die bis zu ihrem 15. Lebensjahr in einer Stadt aufgewachsen waren, die Neuronen eines anderes Areals stärker feuerten, nämlich die des Perigenualen Anterioren Cingulären Cortex (pACC). Dabei handelt es sich um einen Teil des stressverarbeitenden Limbischen Systems.

Die beiden Hirnregionen sind funktional eng miteinander verbunden. Allerdings scheint sich diese Verbindung weniger stark zu entwickeln, wenn man in der Stadt aufwächst, berichten die Forscher. Eine Vergleichsgruppe von 24 Kleinstadt- und Landbewohnern bestätigte die Ergebnisse. Die Psychiater unterschieden bei ihrer Untersuchung Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern, Städte mit über 10.000 Einwohnern und ländliche Gemeinden. Wie sich zeigte, korrelierte die Größe der Stadt mit der Aktivität der Amygdala: Je größer die Stadt, desto aktiver das Hirnareal. Die Aktivität im pACC stieg hingegen mit der Dauer, die ein Proband als Kind in der Stadt gelebt hatte.

Im Prinzip können viele Faktoren des Stadtlebens wie Verschmutzung, Umweltgifte, eine hohe Bevölkerungsdichte oder Lärm für die Reaktionen des Gehirns verantwortlich sein, schreiben die Mediziner. Die genauen Ursachen hätten mit dem Experiment aber nicht erfasst werden können. Zudem ist den Studienautoren bewusst, dass die Lebensbedingungen in Deutschland vergleichsweise gut sind und die Ergebnisse deswegen nicht ohne weiteres auf andere Länder übertragen werden können. Dennoch sind die Erkenntnisse über die Lebensbedingungen in Städten relevant, denn heute leben weltweit mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land. Und das wird sich mit dem Anstieg der Weltbevölkerung ? auf sieben Milliarden dieses Jahr ? auch nicht mehr ändern.

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Florian Lederbogen (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim) et al.: Nature, doi: 10.1038/nature10190. wissenschaft.de – Cornelia Varwig
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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