Niemiller und seine Kollegen analysierten für ihre Studie drei eng miteinander verwandte Arten aus der Familie der Nordamerikanischen Blindfische ( Amblyopsidae). Eine davon, Forbesichthys agassizii, lebt in oberirdischen Gewässern, die beiden anderen, Typhlichthys subterraneus und Amblyopsis spelaea sind Höhlenbewohner. Um das Gehör der drei Arten zu testen, setzten die Forscher alle Fische jeweils einzeln in ein Becken und spielten ihnen per Unterwasser-Lautsprecher eine Folge kurzer Töne in Frequenzen zwischen 0,1 und 2 Kilohertz vor. Jede Tonhöhe wurde dabei zunächst leise, dann in 5 Dezibel-Schritten immer lauter eingespielt. Über Elektroden am Kopf der Fische konnten sie feststellen, ob diese Töne vom Gehirn der Fische registriert und damit wahrgenommen wurden. Zusätzlich untersuchten sie bei jeder Fischart, wie dicht in deren Innenohr die Haarzellen standen. Diese feinen Ausstülpungen werden durch den Schall bewegt und sind die Hauptsensoren des Gehörs.
Stocktaub für hohe Töne
Das Ergebnis: Alle drei Fische waren im tiefen Frequenzbereich von rund 100 Hertz am sensibelsten, in den höheren Lagen aber manifestierten sich klare Unterschiede. Während der oberirdisch lebende Forbesichthys noch leise, hohe Töne bis zu 2.000 Hertz wahrnahm, waren die beiden Höhlenarten für Töne oberhalb von rund 800 Hertz stocktaub, wie die Forscher berichten. Zudem hatten beide Höhlenarten deutlich geringere Haarzellendichten als ihr oberirdischer Verwandter. ‚“Unseres Wissens nach ist das das erste Mal, dass man eine solche Rückbildung des Gehörs bei einem Höhlentier nachgewiesen hat“, konstatieren Niemiller und seine Kollegen.
Nun stellt sich die Frage, warum diese Höhlenfische einen im Dauerdunkel so wertvollen Sinn wie das Gehör reduziert haben. Offensichtlich muss es für sie ja einen Vorteil bedeuten, hohe Töne nicht mehr hören zu können. Um den biologischen Sinn dieser Anpassung zu klären, ermittelten die Forscher als nächstes die Geräuschkulisse im Lebensraum der beiden Höhlenfischarten. Mittels Mikrophonen nahmen sie auf, welche Tonfrequenzen in den unterirdischen Tümpeln und Wasserläufen vorkamen und in welcher Lautstärke. Wie sich zeigte, erzeugen Turbulenzen im Wasser und die von der Decke fallenden Tropfen ein lautes Hintergrundgeräusch – und dies vor allem in den Tonhöhen oberhalb von 800 Hertz. Tiefere Töne werden dagegen geschluckt und breiten sich kaum aus. „Das legt die Vermutung nahe, dass die Höhlenfische ihr Gehör für hohe Frequenzen verloren haben, um sich so an ihre in diesem Bereich besonders laute Umgebung anzupassen“, konstatieren die Forscher. Auf welche Weise dies geschehen sei, müsse nun noch genauer untersucht werden.