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Tauben besitzen „Lese-Talent“

Erde|Umwelt

Tauben besitzen „Lese-Talent“
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Tauben sind erstaunlich clever. (Bild: © ktd011/iStock)
„Done“ ist ein englisches Wort – die unsinnige Buchstaben Folge „dnoe“ hingegen nicht: Zu solchen Zuordnungen sind Tauben fähig, zeigt eine experimentelle Studie. Dies beruht nicht etwa auf Auswendiglernen – offenbar gehen die Vögel bei der Unterscheidung sogar ähnlich vor wie der Mensch: Sie erkennen typische Buchstabenkombinationen, erklären die Biologen. Erneut hat sich damit gezeigt, wie erstaunlich leistungsstark Vogelgehirne sein können.

Kleines Gehirn – schwache Leistung: Nach dieser Formel wurde den Vögeln lange Zeit wenig „Grips“ unterstellt. Doch mittlerweile scheint klar, dass diese simple Rechnung nicht aufgeht: Vor allem Papageien- und Rabenvögel beeindrucken mit kognitiven Höchstleistungen, die zuvor als eine Domäne der Primaten beziehungsweise der Säugetiere galten. Aus einer kürzlich erschienenen Studie geht hervor, dass dies wohl auf einer besonders hohen Nervendichte in den vergleichsweise kleinen Gehirnen der Vögel basiert.

Auch im Köpfchen der Tauben ( Columba livia) steckt ein beeindruckender Vogelverstand, haben frühere Untersuchungen bereits gezeigt. Vor allem visuelle Informationen können sie in komplexer Weise verarbeiten. Mit den kognitiven Fähigkeiten dieser oft unterschätzten Vogelart haben sich Forscher der University of Otago (Neuseeland) und der Ruhr-Universität Bochum nun erneut beschäftigt.

Tauben picken Wörter an

Sie trainierten ihre Versuchstiere mittels Futterbelohnungen zunächst, englische Wörter aus vier Buchstaben von Nicht-Wörtern zu unterscheiden. Beispielsweise lernten sie, das  korrekte Wort „done“ auf einem Bildschirm anzupicken. Erschien hingegen eine unsinnige Buchstabenfolge wie „dnoe“ sollten die Tauben auf ein Symbol neben dem Wort picken. Auf diese Weise lernten die vier Versuchs-Tauben der Wissenschaftler zwischen 26 und 58 Wörter von 8.000 Nicht-Wörtern zu unterscheiden.

Doch dies belegte zunächst nur, dass die Vögel ein gutes Gedächtnis für die strukturellen Merkmale der richtigen Wörter besitzen. Um zu prüfen, ob die Tauben auch orthografische Regeln erfassen können, zeigten die Forscher ihnen bei weiteren Tests neue englische Wörter und Nicht-Wörter. Ergebnis: Die Tauben schnitten besser ab, als durch reinen Zufall zu erwarten wäre. Mit anderen Worten: Sie pickten ungewöhnlich häufig die für sie unbekannten korrekten englischen Wörter an – irgendetwas schien sie darauf hinzuweisen, dass sie den zuvor erlernten ähnelten.

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Scharfer Vogelverstand

Eine Analyse der Wörter, welche die Vögel gut erkannten beziehungsweise weniger gut, gab Hinweise über ihre Vorgehensweise: Demnach hatten sie offenbar eine statistische Wahrscheinlichkeit erfasst, mit der bestimmte Zweierkombinationen von Buchstaben im Englischen auftauchen. Das Wort done hat beispielsweise drei solcher sogenannter Bigramme: do, on und ne. Diese Kombinationen kommen im Englischen häufiger vor als die Bigramme des Nicht-Wortes dnoe, erklären die Forscher. Außerdem scheinen die Tiere auch Gesetzmäßigkeiten von Einfüge-, Lösch- und Ersetz-Operationen erkennen zu können, die typischerweise bei der Umwandlung von Zeichenfolgen in korrekte Neuversionen eingesetzt werden. Dem Co-Autor Onur Güntürkün von der Ruhr-Universität Bochum zufolge bedeutet dies: „Tauben und Menschen haben extrem unterschiedliche Gehirne und lernen trotzdem auf äußerst ähnliche Art und Weise orthografische Regeln“.

Eine ähnliche Fähigkeit, wie sie die Forscher nun bei den Tauben festgestellt haben, wurde zuvor bereits bei Pavianen gezeigt. „Die enorme kognitive Leistung der Tauben offenbart, dass es kein Privileg von Primaten – oder gar nur des Menschen – ist, orthografische Regeln zu beherrschen“, so Güntürkün. „Diese Erkenntnisse zeigen, dass sich bei Vögeln und Säugetieren im Laufe einer 300 Millionen Jahre währenden parallelen Evolution sehr ähnliche kognitive Leistungen herausgebildet haben – unabhängig von Hirnstrukturen.“ Sein Kollege Michael Colombo von der University of Otago macht in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu der im englischsprachigen Raum üblichen Bezeichnung von dummen Menschen als „bird brain“ – Vogelhirn: „Diesen Begriff sollten wir nun ernsthaft überdenken“, meint der Biologe.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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