Hinterlassenschaften mit komplexer Bedeutung: Neben der innerartlichen Kommunikation können Markierungsstellen bestimmter Tiere offenbar auch anderen Arten als Informationsquelle dienen. Dies legt eine Studie am Beispiel der Markierungsbäume von Geparden in der afrikanischen Savanne nahe. Die Forscher stellten anhand der Aufnahmen von Überwachungskameras fest, dass einige Tierarten die Kommunikations-Hotspots der Raubkatzen auffallend häufiger besuchten und beschnüffelten als Kontrollbäume. Sie sehen darin ein Zeichen dafür, dass die Geparden-Düfte auch diesen Tieren etwas mitteilen. Es scheint eine Art Netzwerk für inner- und zwischenartliche Kommunikation zu geben, sagen die Wissenschaftler.
„Ich war hier“: Diese und weitere Informationen vermitteln manche Tiere, indem sie an oft auffälligen Stellen Duftmarken oder ihre Geschäftchen hinterlassen, die dann von anderen erschnüffelt werden können. Bei der Erforschung dieses Verhaltens stand bisher die Rolle für die Kommunikation innerhalb von Arten im Fokus. Es ist bekannt, dass die Markierungen den Tieren einer Population verschiedene Informationen vermitteln können: über territoriale Besitzansprüche, Fortpflanzungsbereitschaft, Gesundheitsstatus oder die Ernährungsweise der Individuen. Doch bisher wurde kaum untersucht, wie andere Tierarten auf die Geruchskommunikation einer bestimmten Spezies in ihrem Lebensraum reagieren. Um grundlegende Hinweise zu bekommen, hat ein Forscherteam vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin eine Untersuchung im Fall der von Geparden (Acinonyx jubatus) genutzten Markierungsstellen in einem Untersuchungsgebiet in Namibia durchgeführt.
Mehr als Informationen für Artgenossen
In einer früheren Studie hatten die Wildbiologen bereits die Bedeutung von bestimmen Markierungsbäumen bei der innerartlicher Kommunikation dieser Raubkatzen aufgezeigt. „In unserer neuen Untersuchung überwachten wir nun Markierungsbäume von Geparden und ähnlich aussehende, nahegelegene Kontrollbäume. Auch bei diesen handelte es sich um auffällige, einzelnstehende und große Exemplare, was grundsätzlich typisch für Geparden-Markierungsbäume ist“, erklärt Co-Autor Jörg Melzheimer vom IZW. „Wir nutzten diesen vergleichenden Ansatz, um Hinweise darauf zu bekommen, ob Säugetierarten nur für innerartliche oder auch für zwischenartliche Kommunikation zu den Bäumen kommen.“ Dazu erfassten die Wissenschaftler anhand der Aufnahmen von Kamerafallen, welche Tierarten wie häufig beide Baumtypen besuchten.
Die Auswertungen ergaben: Während der 65 Tage dauernden Überwachung besuchten insgesamt 29 Säugetierarten die Bäume im Fokus der Kameras. Dabei stellen die Forscher eine grundlegend höhere Diversität von Besuchern an den Geparden-Markierungsbäumen als an den Kontrollbäumen fest. Besonders auffällig waren dabei die Ergebnisse bei drei Arten: So besuchten und beschnüffelten etwa Afrikanische Wildkatzen (Felis lybica lybica), Schabrackenschakale (Lupulella mesomelas) und Warzenschweine (Phacochoerus africanus) die Geparden-Markierungsbäume auffallend häufiger als die Kontrollbäume. Dies interpretieren die Forscher als ein Anzeichen dafür, dass diese Tierarten Informationen von den Gepardendüften erhielten. Andere Tierarten tauschten hingegen Geruchsinformationen gleich häufig an Geparden-Markierungsbäumen und Kontrollbäumen aus. Das deutet wiederum darauf hin, dass diese Spezies generell gerne auffällige Bäume für ihre eigene Kommunikation nutzten, jedoch nicht spezifisch die Geparden-Markierungsbäume dafür auswählen, erklären die Forscher.
Verschiedene Motive möglich
Was die speziellen Besucher betrifft, sagt Erst-Autorin Sarah Edwards vom IZW: „Wahrscheinlich besuchen kleine fleischfressende Arten wie die Wildkatzen und die Schabrackenschakale die Geparden-Markierungsbäume, um abzuschätzen, wann Geparde zum letzten Mal bei den Bäumen waren. Warzenschweine sind hingegen Allesfresser und opportunistische Aasfresser, daher fressen sie wahrscheinlich auch unverdaute Beutereste im Gepardenkot, der dort zu finden sein kann“, erklärt die Wildbiologin. Wie die Forscher weiter berichten, gab es bei der Besuchsrate auch Gegenbeispiele: Kronenducker (Sylvicapra grimmia) mieden die Markierungsbäume im Vergleich zu den Kontrollbäumen deutlich. Dies erscheint plausibel, denn es handelt sich dabei um wichtige Beutetiere der Geparde. Deshalb halten sich die Kronenducker wohl von den nach den Räubern riechenden Bereichen fern.
Auch die stärksten Raubtiere im Untersuchungsgebiet des Projekts besuchten die Bäume, zeigten die Überwachungskameras: Leoparden kamen allerdings sowohl zu den Geparden-Markierungsbäumen als auch zu den Kontrollbäumen und rochen, urinierten, kratzten und scheuerten sich an ihnen. „Leoparden nutzen ebenfalls auffällige Bäume für ihre innerartliche Kommunikation und demonstrieren möglicherweise gleichzeitig an den Geparden-Markierungsbäumen ihre Anwesenheit gegenüber den Geparden“, sagt Co-Autorin Bettina Wachter vom IZW.
Unterm Strich liefern die Studienergebnisse Hinweise darauf, dass Säugetiere in Namibia ein über Arten hinweg bestehendes Kommunikationsnetzwerk unterhalten, sagen die Wissenschaftler. Vermutlich spielen auch Markierungsstellen anderer Arten eine ähnliche Rolle wie die Markierungsbäume der Geparden. Es zeichnet sich somit weiteres Forschungspotenzial ab: „Zukünftige Studien über die interspezifische Kommunikation verschiedener Arten in unterschiedlichen Populationen und Ökosystemen könnten mehr Details über die Komplexität der Kommunikationsnetzwerke aufdecken“, schreiben die Forscher abschließend.
Quelle: Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Fachartikel: MAMM BIOL. Doi: 10.1007/s42991-022-00284-w