Das aus über achtzig Wissenschaftlern bestehende Team kann diese Frage nun zum Teil beantworten: Es gibt mindestens drei voneinander abgrenzbare Typen von Bakteriengemeinschaften im menschlichen Darm, von den Forschern „Enterotypen“ getauft. Entdeckt haben sie das mit Hilfe der sogenannten Metagenomik, einem Ansatz, bei dem alle Mikroorganismen in einem Lebensraum gleichzeitig erfasst und ihre Gene gemeinsam analysiert werden. Ausgangsmaterial waren dabei Stuhlproben von 22 Probanden aus Dänemark, Frankreich, Italien und Spanien. Die erhaltenen Gensequenzen verglichen die Forscher anschließend mit den bereits verfügbaren von 13 Japanern und 4 Amerikanern und in einem zweiten Schritt noch mit 379 ebenfalls schon veröffentlichten Mikrobiomen, also dem Gesamt-Erbgut von Mikroorganismen.
Man könne sich die drei Typen jeweils als Mini-Ökosysteme vorstellen, die sozusagen unterschiedliche ökologische Nischen besetzen, illustrieren die Forscher. Solche Systeme entwickeln sich immer in Richtung eines stabilen Gleichgewichts – einige Spezies werden dominant, andere werden eher zu Außenseitern -, das optimal an die jeweiligen Bedingungen angepasst ist. Die Gemeinschaft von Enterotyp 1 scheint sich beispielsweise auf die Energiegewinnung aus Kohlenhydraten und Proteinen durch Fermentation spezialisiert zu haben ? das zeigen die bei diesem Typ dominierenden Enzyme. Zudem ist diese Gruppe besonders produktiv bei der Bildung der Vitamine Biotin (B7), Riboflavin (B2), Pantothensäure (B5) und C. Enterotyp 2 konzentriert sich dagegen anscheinend auf den Abbau der Zucker-Protein-Komplexe, die im Schleim der Darmschleimhaut vorkommen, und die Synthese von Thiamin (Vitamin B1) und Folsäure. Die Bakterien des letzten Typs, Enterotyp 3, können ebenfalls die Schleim-Proteine abbauen, nutzen aber im Gegensatz zu Typ 2 dank überdurchschnittlich vieler Transportkanäle die dabei entstehenden kleinen Zuckermoleküle besonders effektiv.
Was allerdings bestimmt, welcher Typ sich im Darm ausbildet, ist den Wissenschaftlern noch völlig schleierhaft. Es könnte die Ernährung sein, die genetische Veranlagung, die Erfahrungen in der frühen Kindheit oder andere, bisher unbekannte Faktoren. Allerdings scheint es bestimmte Eigenschaften der Mikrobengemeinschaften zu geben, die mit dem Alter, dem Geschlecht und dem Body-Mass-Index variieren. Bei älteren Menschen finden sich unabhängig vom Enterotyp beispielsweise vermehrt Enzyme für den Stärkeabbau im Mikrobiom ? vermutlich eine Reaktion darauf, dass der Körper selbst komplexe Kohlenhydrate im Alter nicht mehr so gut zerlegen kann.
Das Körpergewicht korreliert dagegen vor allem mit der Menge an Enzymen, die für die Energiegewinnung aus Kohlenhydraten zuständig sind. Auch das lasse sich erklären, sagen die Forscher: Je effizienter die Darmflora die Nährstoffe in Energie umwandelt, desto mehr davon steht dem Körper zur Verfügung ? und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch Übergewicht entwickelt. Dieser Zusammenhang sei so eindeutig, dass sich das Vorhandensein bestimmter bakterieller Gene möglicherweise dazu verwenden lässt, ein erhöhtes Risiko für Übergewicht vorherzusagen, glauben die Wissenschaftler. Eine Studie mit 100 Freiwilligen dazu laufe bereits.