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Übersehene Methanquelle identifiziert

Erde|Umwelt

Übersehene Methanquelle identifiziert
Stechlinsee
Probenahme im Stechlinsee in Brandeburg. (Bild: Marco Günthel)

Das Treibhausgas Methan hat eine 25-Mal höhere Klimawirkung als Kohlendioxid. Jetzt enthüllt eine Studie, dass eine wichtige Quelle dieses Gases bislang übersehen und in den Modellen kaum berücksichtigt wurde. Denn entgegen den Annahmen setzen nicht nur sauerstoffarme Feuchtgebiete, Sümpfe und Seesedimente Methan frei, das Gas wird auch vom sauerstoffreichen Oberflächenwasser der meisten größeren Seen abgegeben. Weltweit könnten sogar gut 60 Prozent der Methanemissionen aus Seen auf das Konto dieser sogenannten oxischen Methanproduktion gehen, wie die Forscher berichten. Das könnte auch bedeuten, dass sich die Methanemissionen von Binnengewässern bei anhaltender Erwärmung anders entwickeln als bislang angenommen.

Nach Kohlendioxid ist Methan (CH4) das zweitwichtigste Treibhausgas in unserer Atmosphäre. Zwar ist seine Verweildauer mit gut zwölf Jahren deutlich kürzer als beim CO2, dafür ist die Treibhauswirkung erheblich stärker. Erst vor Kurzem berichtete die Weltwetterorganisation WMO, dass auch die Methanwerte in der Erdatmosphäre inzwischen neue Rekordwerte erreicht haben – die Konzentration dieses Klimagases liegt inzwischen 259 Prozent über dem präindustriellen Wert. Von den 1869 parts per billion stammen allerdings nur rund 60 Prozent aus anthropogenen Quellen, der Rest ist natürlichen Ursprungs und stammt aus Gewässern, Feuchtgebieten und Sedimenten. „Schätzungen zufolge sind Binnengewässer für rund 20 Prozent der gesamten Methanemissionen verantwortlich“, erklären Marco Günthel von der Swansea University und seine Kollegen.

Methan auch aus sauerstoffreichem Wasser?

Bisher allerdings gab es dabei eine entscheidende Einschränkung: „Eine grundlegende Annahme zur Biogeochemie ist, dass die biologische Methanbildung ausschließlich unter anoxischen Bedingungen stattfindet“, so Günthel und sein Team. Demnach produzieren im sauerstoffarmem Wasser oder Boden spezielle Mikroorganismen dieses Treibhausgas. Gut durchlüftete Gewässer galten daher bislang nicht als nennenswerte Methanquellen und werden auch in Klimamodellen und globalen Methanbudgets bisher nicht berücksichtigt, wie die Forscher berichten. Doch in jüngster Zeit gab es einzelne Studien, die Zweifel an der rein anoxischen Entstehung des biogenen Methans weckten. „Trotz großer Skepsis haben verschiedene Wissenschaftler immer wieder festgestellt, dass eine Methanproduktion auch in sauerstoffreichen Gewässern vorkommt – auch wenn diese Vorstellung gegen das etablierte Paradigma der Methanforschung verstößt“, sagen die Forscher.

Deshalb haben Günthel und seine Kollegen diese Beobachtungen nun im Rahmen einer Langzeitstudie am Stechlinsee in Brandenburg überprüft. Dieser bis zu 70 Meter tiefe und 4,25 Quadratkilometer große See gilt als besonders sauber, nährstoffarm und gut durchlüftet. Für ihr Experiment entnahmen die Forscher in den Jahren 2014, 2016 und 2018 regelmäßig Wasserproben aus verschiedenen Bereichen des Sees und ermittelten die Konzentration des gelösten Methans im Oberflächenwasser, die Emission von Methan von der Wasseroberfläche sowie verschiedenen Umweltparameter wie Temperaturen, Wind und Durchmischung der Wasserschichten. Diese Werte erhoben sie sowohl im freien Wasser als auch in mehreren durch seitliche Wände abgeteilten Wasserbereichen.

Mehr als die Hälfte kommt von der Oberfläche

Die Auswertungen ergaben: Entgegen gängiger Annahme kam ein Großteil des von der Wasseroberfläche ausgegasten Methans nicht vom Grund des Sees, sondern aus dem sauerstoffreichen Oberflächenwasser. „Im Schnitt machte die oxische Methanproduktion im Nordostteil des Sees 64 Prozent der oberflächlichen Methanemissionen aus, im Südteil rund 50 Prozent“, berichten Günthel und seine Kollegen. „Sie trug damit substanziell zur Methanemission des gesamten Seesystems bei.“ Ihre Experimente bestätigten, dass diese Treibhausgasanteile direkt im sauerstoffreichen Wasser entstanden und nicht vom Grund des Sees aufgestiegen sind. Auf Basis ihrer Daten gehen die Forscher zudem davon aus, dass der Anteil der oxischen Methanproduktion von der Seegröße abhängt: Ab einer Fläche von mehr als einem Quadratkilometer übertrifft die oxische Methanproduktion aus dem Oberflächenwasser die anoxische Methanfreisetzung aus Uferschlamm und Seegrund.

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Nach Ansicht von Günthel und seinen Kollegen sprechen diese Ergebnisse dafür, dass sauerstoffreiche Seen mit einer guten Wasserqualität eine bisher unterschätzte Quelle für Methan sind – und das wahrscheinlich weltweit. In einer ergänzenden Modellstudie errechneten sie, dass im Schnitt 66 Prozent der weltweiten Emissionen von Methan aus Seen aus der oxischen Produktion stammt. Entscheidend ist diese Erkenntnis auch im Kontext des Klimawandels, weil die Erwärmung auch die Bedingungen für die methanproduzierenden Organismen in den Gewässern verändern wird, wie die Forscher erklären. Denn als Methanproduzenten in den sauerstoffreichen Wasserschichten stehen verschiedene Algen im Verdacht. Wenn sie sich in wärmerem Wasser vermehren, könnten künftig auch die oxischen Methanemissionen aus den Gewässern steigen. „Die Methanbildung in Seen basiert auf einem komplexen Zusammenspiel von biochemischen und physikalischen Prozessen, von denen einige noch wenig verstanden oder unbekannt sind“, konstatiert Günthel. „Ich hoffe, dass unsere Studie weitere Forschungen zu diesem Thema anregen wird, um den globalen Methankreislauf vollständig zu verstehen und die Vorhersagen zum Klimawandel verbessern zu können.“

Quelle: Marco Günthel (Swansea University) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-019-13320-0

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