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Unauffälligste Insektenfamilien sind die artenreichsten

Biodiversität

Unauffälligste Insektenfamilien sind die artenreichsten
Gallmücke
Gallmücken sind unscheinbar und wenig untersucht, bilden aber die artenreichste Gruppe unter den Fluginsekten. © Heather Broccard-Bell/ iStock

Die Artenvielfalt geht weltweit durch menschliche Eingriffe und den Klimawandel zurück. Um dem entgegenzuwirken, bräuchte es genaue Informationen über die Tiere, die den Planeten bevölkern. Doch gerade den artenreichsten und wichtigsten Tiergruppen wird dabei offenbar zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. So haben Forschende herausgefunden, dass nur 20 Insektenfamilien die Hälfte der Artenvielfalt aller Fluginsekten ausmachen. Am artenreichsten sind dabei die unauffälligen und wenig untersuchten Gallmücken.

Schätzungen zufolge sind bislang gerade einmal 20 Prozent aller Tierarten entdeckt worden. Die restlichen 80 Prozent gelten als sogenannte Dark Taxa. Doch bei der Entdeckung neuer und bei der Erforschung bekannter Arten scheint die Wissenschaft sich auf einzelne „Lieblinge“ zu fokussieren statt auf jene Tiere, die den größten Teil zur weltweiten Artenvielfalt beisteuern. So beziehen sich im Informationsportal zur weltweiten Biodiversität zum Beispiel zwei Drittel der Datensätze auf Vögel, obwohl diese nur 0,2 Prozent aller Arten ausmachen.

Volkszählung für fliegende Insekten

Forschende um Amrita Srivathsan vom Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung in Berlin haben sich nun einer prominenten, aber dennoch bislang eher stiefmütterlich behandelten Gruppe von Tieren zugewandt: den Insekten. „Es ist zentral, mehr über Insekten zu erfahren, machen alle Insekten zusammen doch ein Vielfaches der Biomasse und Artenvielfalt aller Wirbeltiere aus. Sie sind überlebenswichtig“, erklärt Koautor Rudolf Meier vom Museum für Naturkunde Berlin. Um herauszufinden, welche Familien fliegender Insekten besonders artenreich sind, sammelte das Team Proben in fünf biogeografischen Regionen, acht Ländern und zahlreichen Lebensräumen.

Die Insekten gingen den Forschenden über sogenannte Malaise-Fallen ins Netz. Dabei handelt es sich um zeltartige Konstruktionen aus feinen Fangnetzen, in denen sich fliegende Insekten verirren und schließlich in ein Gefäß mit Ethanol geleitet werden. Der hochprozentige Alkohol tötet und konserviert sie. Auf diese Weise fingen Srivathsan und ihre Kollegen an den verschiedenen Fundstellen insgesamt über 225.000 fliegende Insekten. Mithilfe von moderner Gen-Sequenzierung konnten sie die „DNA-Barcodes“ von mehr als 25.000 Arten aus 458 Familien auslesen. Anschließend ermittelte das Team, welche dieser Familien die artenreichsten Gruppen von Fluginsekten bilden.

Wichtigste Insektenfamilien kaum erforscht

Das Ergebnis: Gerade einmal 20 Insektenfamilien sind für 50 Prozent der weltweiten Artenvielfalt von Fluginsekten verantwortlich. Zehn dieser Familien gehören zur Ordnung der Zweiflügler (Diptera), die unter anderem Mücken und Fliegen miteinschließt. „Das ist wirklich bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Proben über verschiedene Klimazonen und Lebensraumtypen gesammelt wurden, darunter tropische Regenwälder, Bergwälder, Savannen, Mangroven und Sümpfe, aber auch Wiesen aus der gemäßigten Zone“, berichten die Wissenschaftler. Sie erklären sich die weltweite Dominanz der Top 20 durch deren hohe Anpassungsfähigkeit, die ihnen pro Lebensraum verschiedene Nischen eröffnet.

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Doch obwohl die 20 artenreichsten Insektenfamilien immens wichtig für die Ökosysteme dieser Welt sind, spiegelt sich das nicht im wissenschaftlichen Interesse an ihnen wider. „Wir fanden heraus, dass eine Familie umso mehr vernachlässigt wurde, je mehr sie zu den Insektengemeinschaften auf der ganzen Welt beitrug“, so Srivathsan und ihre Kollegen. Als Paradebeispiel nennen sie die artenreiche Familie der Gallmücken, die trotz ihrer globalen Dominanz bislang kaum taxonomische Aufmerksamkeit erfahren hat. Das Forschungsteam drängt deshalb darauf, der Erforschung der 20 vielfältigsten Insektenfamilien nun oberste globale Priorität einzuräumen. Nur so ließen sich wirklich wirksame Maßnahmen gegen den Biodiversitätsverlust erarbeiten.

Quelle: Museum für Naturkunde, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung; Fachartikel: Nature Ecology & Evolution, doi: 10.1038/s41559-023-02066-0

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