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Unsichtbare Natur: Spannendes Leben unter dem Erdboden

Erde|Umwelt

Unsichtbare Natur: Spannendes Leben unter dem Erdboden
Eine Handvoll Erde
Der Erdboden – Heimat für unzählige Lebewesen. Die meisten davon können wir mit bloßem Auge gar nicht sehen. Dennoch tragen sie entscheidend dazu bei, dass etwa unsere Nutzpflanzen nachhaltig und gesund gedeihen können. (bild: stock.adobe.com © aardenn)
Auch, wenn man es schon hundert Mal gehört hat, ist es doch immer wieder faszinierend: In einer menschlichen Hand voll Bodenerde tummeln sich mehr Lebewesen, als es Menschen auf dem gesamten Planeten Erde gibt. Als Edaphon wird die Gesamtheit aller im Boden lebenden Organismen bezeichnet. Die Bodenlebewesen werden herkömmlich wieder in pflanzliche (Bodenflora) und tierische (Bodenfauna) Lebewesen unterschieden. Allerdings gibt es auch Sonderfälle und oftmals wird das Leben unter der Erde fehlerhaft kategorisiert.

Bodenflora – Pflanzen im Erdreich?

Der Begriff Bodenflora meint in der Regel die Gesamtheit der im Boden lebenden Pflanzen. Dabei werden der Bodenflora überwiegend Actinomyceten, Pilze, Strahlenpilze, Algen und Flechten zugeschrieben. Sie machen in ihrer Gesamtheit in etwa 60-90 % der Masse des gesamten Edaphons aus. Da die beteiligten Pflanzen oft nur eine winzige Größe von <0,2 mm besitzen, wird häufig auch von der Mikroflora gesprochen.

Alle Lebewesen der Bodenflora sind maßgeblich an Prozessen der Zersetzung, Mineralisation und Humifizierung beteiligt. Die Bodenfestsubstanz besteht vorwiegend aus Humus. Edaphon, Pflanzen und Wurzeln machen nur etwa 15 – 20 Prozent der Erdsubstanz aus.

Auch Bakterien werden in der Bodenkunde häufig zur Bodenflora gerechnet. Nicht nur bei ihnen, die doch ganz eindeutig im biologischen Sinne kein Bestandteil der Flora sind, ist die Bezeichnung Bodenflora problematisch. Denn bei allen aufgeführten Gruppen handelt es sich biologisch-systematisch zwar um nicht-tierische, aber zum teilweise eben auch um nicht-pflanzliche Organismen.

Vor allem die Pilze (Fungi) stechen hervor. Sie faszinieren Laien, wie Berufsbiologen seit jeher und bilden neben den Tieren (Animalia) und den Pflanzen (Plantae) das dritte große Reich sogenannter eukaryotischer Lebewesen.

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Sonderfall Pilze

Obwohl Pilze zur Mikroflora gezählt und von vielen Laien fälschlicherweise zu den Pflanzen gezählt werden, sind Pilze den Tieren ähnlicher als den Pflanzen. Doch betrachtet man sie sich einmal genauer, fällt schnell auf, dass sie den Pflanzen auch optisch eigentlich gar nicht ähneln.

Denn man findet nichts Grünes an ihnen. Weder irgendwelche grasartig aussehenden Dinge, noch Blätter oder gar Nadeln. Das liegt daran, dass Pilze einen vollkommen anderen Stoffwechsel haben, als Pflanzen. Pflanzen treiben mit ihren grünen Blättern bekanntlich Photosynthese. Das Chlorophyll ermöglicht es ihnen, Sonnenlicht in Energie umzuwandeln. Damit bauen sie sich auch aus dem Kohlendioxid in der Luft ihre Biomasse auf. Allein mit Sonnenlicht, Luft und ein wenig Wasser können Pflanzen überleben.

Pilze sind da anders. Wie Tiere und Menschen müssen auch Pilze „schmarotzen“, also dadurch Energie gewinnen, dass sie bereits vorhandene Biomasse chemisch abbauen und verstoffwechseln.

Das gelingt ihnen einerseits durch abgestorbene Pflanzenreste, die die Pilze sich aus dem Boden holen. Pilze gehen häufig aber auch Symbiosen – also eine Art Partnerschaft – mit Pflanzen ein, indem sie sich fest an sie hängen. Dazu später mehr.

Ein Pilz jedenfalls ist keine Pflanze. Er ist aber auch kein Tier, denn er bewegt sich weder von seinem festen Platz im Boden, noch verfügt er über Zellen, die Tieren ähnlich sind. Hier wirkt er wieder eher wie etwas Pflanzliches. Denn zusätzlich zur Zellmembran hat er auch noch eine feste Zellwand. Auch vermehren sich Pilze völlig anders als Tiere.

Pilze vermehren sich über Sporen, die in ihrem Zellkern jeweils nur einen Chromosomensatz besitzen. In feuchter Erde keimen sie und bilden kleinste Würzelchen, die man auch Hyphen nennt – das sogenannte Primärmycel. Sobald sich zwei passende Hyphen finden, vereinen sie sich und wachsen als Sekundärmycel weiter. Ab diesem Zeitpunkt haben sie zwei Zellkerne in jeder Zelle. Außerdem besitzen sie nun die Fähigkeit, Fruchtkörper zu bilden – den schönen Teil des Pilzes, den wir beim Spaziergang durch den Wald oder über die Wiese sehen.

Die Forschung zu Pilzen ist lange nicht abgeschlossen. Im Jahr 2005 erst wurde der bislang älteste Pilz entdeckt. Paläontologen zufolge ist er etwa 850 Millionen Jahre alt. Fast jährlich werden 2000 neue Arten von Pilzen entdeckt und das immense Potenzial der beeindruckenden Lebewesen wird Forscher*innen immer bewusster.

Zudem gelten Pilze als besondere Delikatesse. Neben ihrer Vielseitigkeit hinsichtlich der Zubereitungsart sind sie zudem noch äußerst gesund. Wer im heimischen Wald selbst auf die Suche nach verzehrbaren Pilzen gehen möchte, sollte sich vorab gründlich informieren, da es sonst zu einer Vergiftung kommen kann.

Sonderfall Wurzeln

Nicht zur Bodenflora gehörig, mengenmäßig für das Leben unter dem Erdboden aber durchaus bedeutsam, sind auch unterirdische Pflanzenorgane. Wurzeln und unterirdische Sprossorgane wie Zwiebeln und Rhizome haben einen Anteil von etwa 10 Prozent an der organischen Substanz im Boden. Gerade hinsichtlich der Wechselwirkungen mit Mikroorganismen und Bodenpartikeln sind vor allem Wurzeln für das Leben unter der Erde unverzichtbar.

Bäume wiederum könnten ohne Wurzeln im Erdreich ebenfalls nicht leben. Damit eine gesunde Versorgung gewährleistet ist, benötigt ein Baum unterirdisch das selbe Wurzelvolumen wie ihm oberirdisch an Kronenvolumen zur Verfügung steht. Je mehr Sauerstoff ein junger Baum in seiner Anwuchsphase hat und je mehr Zugang er zu Bodenbereichen mit wurzelgerechten Konditionen bekommt, umso größer ist die Chance, dass er anwächst und sein volles Potenzial in der Zukunft erfüllen kann.

Wurzeln von Bäumen und anderen Pflanzen zählen in der Bodenkunde übrigens zumindest bislang noch nicht zum Edaphon. Allerdings sind sie lebende Teile der Pflanzen und bringen dem Erdboden eine Menge Vorteile.

  • Sie können den Erdboden, je nach Anspruch, festigen, lockern oder verdichten.
  • Wurzeln scheiden außerdem Kohlenstoffdioxid (CO2) ab. Dieses verbindet sich im Boden mit Wasser zu Kohlensäure. Die Kohlensäure wiederum spaltet sich zu Hydrogencarbonat und Wasserstoff-Ionen. Diese tragen zur Versauerung des Bodens bei, die für das Leben einiger Pflanzenarten essenziell ist.
  • Pflanzenwurzeln sondern auch direkt Wasserstoff-Ionen und organische Säuren ab. Die ausgeschiedenen Säuren greifen Gesteine im Boden an und sorgen dafür, dass diese chemisch-biologisch verwittern.
  • Gerade auf einen gesunden Mischwald wirken sich Wurzeln positiv aus. Denn sie erhöhen die Bodenregenerierung in entscheidender Weise.
  • Je nach Standort der Pflanzen nehmen Wurzeln aus dem unverwitterten Untergrund basische Stoffe auf, die über die abfallenden Blätter wieder dem Oberboden zugeführt werden. Mit diesem Prozess wiederum kann im Falle der Gefahr einer Übersäuerung der Böden ebendieser entgegengewirkt werden.

Wie bereits erwähnt gehen viele Bäume über ihre Wurzeln außerdem eine Symbiose mit Pilzen ein, von der beide Partien deutlich profitieren. Die Pilze umschlingen mit vielen Fäden die Wurzeln und erhalten so von der Pflanze Kohlenhydrate. Im Gegenzug übernehmen die feinen Pilzfäden die Aufgabe der Wurzelhaare. Das hilft den Bäumen und andere Pflanzen dabei, ihre Wurzeln mit teilweise nur schwer löslichen Nährstoffen wie Phosphor, Stickstoff und Kalium zu versorgen. Man nennt die Wechselbeziehung zwischen Wurzel und Pilz auch Mycorrhiza oder einfach Pilzwurzel.

Bodenfauna – Tierisches im Erdreich

Die Bodenfauna setzt sich aus tierischen Einzellern und vielzelligen Organismen, die nach ihrer Größe differenziert werden. Man unterscheidet Mikrofauna, Mesofauna, Makrofauna und Megafauna.

  • Zur Mikrofauna gehören Lebewesen mit einer Größe von < 0,2 mm. Bekannte Vertreter sind Wimperntiere, Geißeltiere, Amöben und kleine Fadenwürmer.
  • Zur Mesofauna gehören Lebewesen mit einer Größe von < 2 mm. Hier finden sich beispielsweise Springschwänze, Rädertiere oder auch Milben).
  • Spätestens die Makrofauna ist mit dem menschlichen Auge gut zu sehen. Sie kategorisiert Tiere mit einer Größe von > 2 mm. Ob Schnecken, Borstenwürmer, Asseln oder Insekten – hier findet sich allerlei wuselndes und krabbelndes Getier.
  • Zur Megafauna schließlich zählen Tiere mit einer Größe von > 20 mm. Alle möglichen Wirbeltiere, wie Wühlmäuse, Spitzmäuse oder auch der Maulwurf sind Teil der Megafauna.

Man schätzt, dass sich in 0,3 Kubikmetern Erde – also etwa einer Fläche von 1 mal 1 Meter und 30 cm Tiefe rund 1,6 Billionen Lebewesen aufhalten. Diese teilen sich in etwa folgendermaßen auf:

  • 1,5 Billionen Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze und Algen.
  • 1 Millionen Fadenwürmer
  • 000 Milben
  • 000 Springschwänze
  • 000 Rädertiere
  • 000 Borstenwürmer
  • 100 Käferlarven
  • 100 Zweiflüglerlarven
  • 80 Regenwürmer
  • 50 Schnecken
  • 50 Spinnen
  • 50 Asseln

Wie auch Pilze tragen beispielsweise die Bakterien als Mikroorganismen zu einem gesunden Erdboden bei. Sie bestehen meist nur aus einer einzigen Zelle, sorgen aber nachhaltig dafür, dass der Nährstoffumsatz im Boden funktioniert. Sie zersetzen also tote Organismen und liefern den Pflanzen durch die Umsetzung neue Nährstoff, mit denen etwa Bäume erst gesund wachsen können.

Die grabenden und wühlenden Bodentiere wiederum sorgen für die Lockerung, Durchmischung und Umlagerung von Bodenbestandteilen. Man nennt diese Vorgänge auch Bioturbation. Durch sie wird die Durchlüftung des Bodens verbessert. Außerdem werden dadurch Mineralböden mit Humus angereichert und die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu speichern, wird erhöht.

Regenwürmer beispielsweise oder auch Schnecken sorgen mittels Ausscheidungen und Schleimstoffen zudem für ein stabiles Krümelgefüge im Oberboden. Sie und andere Bodentiere beschleunigen stets auch den Abbau organischer Substanzen etwa durch mechanische Zerkleinerung von organischen Substanzen. Sie knabbern an organischen Materialien mit stabilen Hüllschichten, wodurch schließlich Mikroorganismen leichter an die Inhaltsstoffe von Zellen kommen. Bodenfauna und Bodenflora funktionieren also dann am besten, wenn sie beide in einem gesunden Zusammenspiel agieren können.

01.12.2020

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