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Unterwasserlärm stört wichtige Winzlinge

Krach im Meer

Unterwasserlärm stört wichtige Winzlinge
Mithilfe von Lichtfallen im Nordseewasser wollen die Forscher ihre bisherigen Untersuchungen von Zooplankton im Labor nun auf das Freiland erweitern. © Uli Kunz, submaris

Größeren Meerestieren dröhnt es bekanntlich problematisch in den Ohren – doch von den marinen Lärmbelastungen sind offenbar auch die ganz Kleinen betroffen, geht aus einer Studie hervor: Wenn der Krach von Schiffsschraube und Co im Wasser ertönt, nehmen Plankton-Krebschen deutlich weniger Nahrung auf, zeigen die Experimente. Da die Winzlinge zur Grundlage der Nahrungskette im Meer gehören, könnte dieser Störeffekt eine weitreichende Bedeutung haben, sagen die Wissenschaftler.

Still war es in den Meeren nie – physikalische Effekte wie Wellen, Töne von Lebewesen und die weite Schallausbreitung sorgen für eine komplexe Geräuschkulisse in der Unterwasserwelt. Doch im Reich Poseidons wird es auch zunehmend unnatürlich laut: Der Schiffsverkehr, Bauprojekte und viele weitere menschengemachte Geräuschquellen sorgen vielerorts für Getöse im Wasser. Schon lange warnen Experten, dass Meerestiere dadurch gestört werden können. Denn viele Fischarten, Meeressäuger oder auch Krebstiere produzieren und nutzen Schall für ihre Navigation, Fortpflanzung oder Beutejagd. In einigen Fällen wurden Störungen durch Unterwasserschall auch bereits nachgewiesen. Doch das Ausmaß des Problems bleibt nach wie vor unklar.

Wie reagiert Zooplankton auf Unterwasserlärm?

Vor allem ist bisher kaum etwas darüber bekannt, wie kleinere Meerestiere auf anthropogene Veränderungen der Soundkulisse reagieren. Dieser Forschungsfrage haben sich nun die Wissenschaftler um Saskia Kühn von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gewidmet. In ihrem Fokus standen dabei die Ruderfußkrebse (Copepoden).

Zooplankton wie der Ruderfußkrebs Acartia tonsa bildet einen wichtigen Baustein im marinen Nahrungsnetz. © Saskia Kühn, FTZ Büsum

Sie sind nur millimeterklein, stellen durch ihre gigantische Gesamtmasse aber eine maßgebliche Größe in den weltweiten marinen Ökosystemen dar. Denn sie bilden die Basis des Nahrungsnetzes und sind eine wichtige Beute von kommerziell genutzten Fischarten wie etwa dem Hering. Außerdem beeinflussen sie den klimatisch wichtigen Kohlenstoffkreislauf im Meer. Das bedeutet: Alles, was diese wichtigen Winzlinge beeinträchtigt, kann weitreichende Folgen haben.

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Inwieweit sich Unterwasserlärm auf die Krebschen auswirkt, haben die Wissenschaftler an Copepoden der Art Acartia tonsa untersucht. Die Tiere wurden dazu in Laboraquarien gehalten und mit bestimmten Mengen ihres natürlichen Futters versorgt: winzigen Meeresalgen (Phytoplanton). Einige der Behälter wurden dabei nur mit natürlichen Umgebungsgeräuschen des Meeres beschallt. In anderen dröhnte hingegen zusätzlich der Lärm von Schiffsverkehr, wie er in manchen Meeresbereichen heutzutage auftreten kann. Konkret handelt es sich dabei um einen Anstieg des Lärmpegels von mehr als 30 Dezibel über dem Niveau der natürlichen Geräuschkulisse.

Weniger Nahrungsaufnahme bei Krach

Wie die Forscher berichten, ging aus den vergleichenden Untersuchungen hervor, dass der Unterwasserlärm eindeutig einen Stressfaktor für die Winzlinge darstellt: „Wir haben festgestellt, dass die Nahrungsaufnahme von Ruderfußkrebsen deutlich reduziert war im Vergleich zu normalen Umgebungsgeräuschen im Aquarium“, so Kühn. Wie das Team berichtet, scheint der Lärm den Krebschen eher nicht den Appetit zu verderben, sondern führt dazu, dass sie ihr Futter weniger effektiv einfangen können. Was die genaue Ursache dafür sein könnte, bleibt bisher allerdings unklar, sagen die Forscher. Möglicherweise irritiert der Lärm die Copepoden oder überdeckt hydromechanische Signale der Beutetiere. Die unnatürliche Schallbelastung könnte allerdings auch zu körperlichen Veränderungen bei den Krebschen führen, die mit dem veränderten Fressverhalten verbunden sind, so die Wissenschaftler.

Die Studie zeigt deshalb nun vor allem weiteren Forschungsbedarf auf, betonen Kühn und ihre Kollegen: „Jetzt gilt es, die Experimente in Feldstudien zu wiederholen, um den Einfluss von Lärm auf das Fressverhalten von Ruderfußkrebsen unter realistischen Schallbedingungen zu erforschen. So können wir besser abschätzen, welche Folgen Lärm auf das ganze Ökosystem hat“, sagt Kühn. Seniorautorin Katja Heubel von der CAU führt dazu weiter aus: „Lärmbedingte Auswirkungen haben das Potenzial, die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften zu verändern. Wir müssen die Auswirkungen von solchen Stressfaktoren im Ökosystem genau kennen, um entsprechend die Strategien anpassen zu können, die zu einem guten und gesunden Zustand der Meeresumwelt beitragen“, so die Wissenschaftlerin.

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Fachartikel: Front. Mar. Sci, doi: 10.3389/fmars.2023.1134792

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