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Unüberlegte Lebensretter

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Unüberlegte Lebensretter
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Was macht einen Menschen zum Lebensretter? (thinkstock)
Ob bei einer Naturkatastrophe oder einem Unfall: Menschen, die andere retten, obwohl sie sich dadurch selbst in Gefahr bringen, sind echte Helden. Denn diese Form der selbstlosen Hilfe ist keine Selbstverständlichkeit. Was aber zeichnet solche Lebensretter aus? Sind sie tatsächlich weniger ängstlich oder eigennützig als andere? Eine Studie von US-Forscher spricht dagegen. Stattdessen handeln solche Helfer einfach intuitiver und unüberlegter als andere. Sie treten in Aktion, ohne über mögliche Risiken für sich selbst nachzudenken.

Christine Marty, ein 21-jährige Studentin, wurde zur Lebensretterin, als sie bei einer Sturzflut eine ältere Frau rettete, die in ihrem Wagen eingesperrt war und drohte zu ertrinken. Der 70-jährige Daryl Starnes riskierte sein Leben, als er in das brennende Fahrzeug einer Frau kletterte, um die nach einem Unfall eingeklemmte Fahrerin zu befreien. Wie hätten wir in diesen Situationen reagiert? Wären wir ebenfalls so mutig gewesen und hätten das enorme Risiko für uns selbst ignoriert? Oder hätte der instinktive Selbstschutz überwogen? Was einige Menschen dazu bringt, sich selbst in Gefahr zu stürzen, um andere zu retten, haben David Rand von der Yale University in New Haven und Ziv Epstein vom Pomona College in Claremont näher untersucht.

Weniger Angst oder einfach unüberlegt?

Frühere Studien deuteten bereits an, dass die Bereitschaft zu solch altruistischem Verhaltens stark von der Fähigkeit zur Empathie und auch von der Emotionalität eines Menschen abhängt. So zeigen Spielexperimente, dass Probanden immer dann eher selbstlos und sogar zum eigenen Nachteil handeln, wenn sie nicht lange überlegen können. „Es bleibt aber die Frage, welche Rolle Gefühl und Intuition in Situationen außerhalb des Labors spielen, vor allem bei solchen, in denen das Helfen das eigene Leben kosten kann“, so die Forscher. Da sich solche lebensgefährliche Situationen schon aus ethischen Gründen schlecht in einem Experiment herbeiführen lassen, griffen die Wissenschaftler für ihre Studie auf reale Lebensretter zurück: Sie analysierten die Situationen, unter denen 51 mit der Carnegie Hero Medal ausgezeichnete Lebensretter gehandelt hatte.

Für den eigentlichen Versuch mischten die Forscher die kurz zusammengefassten Berichte der Lebensretter unter ähnliche, selbstausgedachte Berichte. Diese waren so manipuliert, dass sie entweder herausstellten, dass die Entscheidung rein intuitiv erfolgte oder aber rational, nach Abwägung der Situation. Diese Berichte wurden durcheinander gemischt und den 2312 Probanden vorgelegt. Jeder von ihnen bekam dabei 16 dieser zufällig zusammengewürfelten Berichte und sollte diese jeweils anhand einer siebenstufigen Skala nach dem Grad der Spontanität oder Durchdachtheit einordnen. Weil die Probanden nicht wussten, welche Berichte real waren, stuften sie alle Berichte nach den gleichen Kriterien ein, ohne von einer Bewunderung gegenüber den Lebensrettern beeinflusst zu werden.

Intuitives Handeln

Das Ergebnis war eindeutig: Die Probanden bewerteten die Handlungen der echten Lebensretter mit überwältigender Mehrheit als „sehr intuitiv und schnell“. Zwischen den als Kontrolle untergemischten intuitiven Kontrollen und den realen Berichten gab es daher auch keinen Unterschied in der Einstufung, wie die Forscher berichten. Ihrer Ansicht nach spricht dies dafür, dass auch in gefährlichen Situationen der gleiche Mechanismus greift wie bei den Spielexperimenten im Labor: Wer selbstlos hilft, denkt nicht lange darüber nach, sondern handelt aus dem Gefühl heraus. Ob dies eine Gefahr für einen selbst bedeutet, spielt in diesem Moment keine Rolle – man denkt schlicht nicht daran. „Unsere Analysen zeigen: Extreme Altruisten handeln erst und denken später“, sagt Rand.

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Wie wir in einer brenzligen Situation handeln, hat demnach wenig damit zu tun, ob wir ein ängstlicher oder mutiger Typ sind. Auch ein Abwägen der Chancen findet offenbar im entscheidenden Moment nicht statt. Stattdessen ist unsere Reaktion weitgehend automatisch. Wie dieses intuitiven Handelns im Ernstfall aussieht, ob selbstlos oder egoistisch, hängt dabei vermutlich von unserer Vorgeschichte und vom emotionalen Typ ab, wie die Forscher erklären. Haben wir in harmloseren Alltagssituationen gelernt, dass Hilfsbereitschaft sich langfristig auszahlt, dann verinnerlichen wir dies und diese Form des Altruismus wird zum Automatismus. Haben wir dann keine Zeit zum Nachdenken, dann folgen wir instinktiv diesem eingeübten Schema.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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