Elektronen bilden den bindenden Kleber zwischen Atomen. Auf überlappenden Orbitalbahnen umschwirren sie ihre zugehörigen Atomkerne. Auch wenn diese Mechanismen seit langem bekannt sind, überrascht das Element Uran mit einzigartigem Verhalten: Nicht ein oder zwei, sondern ungewöhnliche fünf Bindungen halten zwei Atome in einem Diuranium-Molekül zusammen. Dieses rekordverdächtige Verhalten entschlüsselten nun italienische Forscher, die alle zur Bindung fähigen Elektronen in komplexen Berechnungen genauer analysierten. Sie veröffentlichen ihr Ergebnis in der Fachzeitschrift „Nature“ (Vol. 433, S. 848).
„Das Uran hat ganze 16 Orbitale, die energetisch eng zusammen liegen“, erklärt Laura Gagliardi von der
Universität Palermo die Grundlage für das eigentümliche Bindungsverhalten des schweren Metalls aus der Gruppe der Actinoide. Klassisch spendet in einem zweiatomigen Molekül jedes Atom ein Elektron für den Aufbau einer Bindung. U2 – wie Diuranium kurz genannt werden kann – weist allein drei solcher bindenden Elektronenpaare auf. Doch zusätzlich schlossen Gagliardi und Kollegen in ihren Simulationen am Computer auf vier weitere Bindungen, die jeweils aus einem einzigen Elektron bestehen. Vereinfacht spricht man bei zehn vorhandenen Bindungselektronen jedoch von fünf kovalenten Bindungen.
Auf den ersten Blick scheint dieses Ergebnis nur von theoretischer Bedeutung für die Grundlagen seltsamer Molekülorbitale zu sein, denn Uran-2 ist das einzige bekannte Molekül, bei denen alle bisher bekannten kovalenten Bindungen gleichzeitig auftreten können. Doch die hohe Zahl dieser „Bindungsarme“ kann auch zur Erklärung zahlreicher anderer Uranverbindungen herangezogen werden. „Diese multi-radikale Natur des Urans unterstützt chemische Bindungen zu einer ganzen Reihe so genannter Liganden“, erklärt Gagliardi. So lässt sich die Stabilität seltener Uranverbindungen mit Stickstoff (NU2N), Chlor (Cl3U2Cl3) oder Sauerstoff (OU2O) leichter erklären.
Jan Oliver Löfken