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Urzeitlicher „Achtarmer“ mit zehn Armen

Kopffüßer

Urzeitlicher „Achtarmer“ mit zehn Armen
Künstlerische Darstellung des urzeitlichen Kopffüßers. © K. Whalen/Christopher Whalen

Die heutigen Vertreter greifen mit acht Armen um sich – die urzeitlichen Vorfahren der Oktopusse, besaßen einst hingegen noch zehn Tentakel. Dies dokumentiert nun das älteste bekannte Fossil eines Vertreters aus dem Stammbaum der Achtarmigen Tintenfische (Vampyropoda). Die Forscher tauften den etwa 328 Millionen Jahre alten Kopffüßer auf den Namen Syllipsimopodi bideni – zu Ehren des Präsidenten Joe Biden, um dessen Engagement für eine erneute Zuwendung zur Wissenschaft zu würdigen.

Geschmeidig, „fingerfertig“ und hochintelligent: Die auch Kraken genannten Oktopusse gehören zu den skurrilsten und prominentesten Bewohnern der Meere. Sie haben zahlreiche Arten hervorgebracht, die viele unterschiedliche Lebensräume besiedeln. Ihr Erfolg beruht dabei auf dem Merkmal, das auch ihren Namen prägt – Oktopus bedeutet „Achtfuß“. Mit ihren flexiblen und Saugnapf-bewährten Anhängseln können sie sich viele Nahrungsquellen erschließen. Sie bilden gemeinsam mit den Vampirtintenfischähnlichen (Vampyromorpha) die übergeordnete Gruppe der sogenannten Vampyropoda – der Achtarmigen Tintenfische. Die Anzahl der Tentakel unterscheidet sie dabei von der zweiten großen Gruppe der Kopffüßer: den Cephalopoda – den zehnarmigen Tintenfischen. Zu ihnen gehören die Sepien und Kalmare mit ihren eher torpedoförmigen Körpern.

Einblick in die Evolutionsgeschichte

Über die Evolutionsgeschichte der Achtarmigen Tintenfische ist vergleichsweise wenig bekannt, denn von ihren weichen Körperstrukturen ist nur selten etwas erhalten geblieben. Die ältesten bisher entdeckten fragmentarischen Überreste wurden auf ein Alter von etwa 240 Millionen Jahre datiert. Das Verfahren der sogenannten molekularen Uhr ließ allerdings eine tiefer reichende Entwicklungsgeschichte vermuten: Spuren im Erbgut heutiger Vertreter der Vampyropoda legten ein Alter von über 300 Millionen Jahre für diese Entwicklungslinie der Kopffüßer nahe.

Zu diesem Ergebnis passt nun die aktuelle Entdeckung von Christopher Whalen und Neil Landman vom American Museum of Natural History in New York. Sie berichten über ein außergewöhnlich gut erhaltenes Fossil eines urzeitlichen Vertreters der Achtarmigen Tintenfische, das aus der Sammlungen des Royal Ontario Museums stammt. Eigentlich wurde es bereits 1988 in einer Fossilienlagerstätte in Montana entdeckt. Erst jetzt zeigte die genaue Untersuchung durch die beiden Paläontologen allerdings die Bedeutung des Fossils auf.

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Der Datierung zufolge hat das etwa zwölf Zentimeter lange Wesen vor rund 328 Millionen Jahren gelebt. Wie die Untersuchungen seiner Körperstrukturen ergaben, wies der Kopffüßer Merkmale auf, die ihn klar als einen Vertreter der Vampyropoda ausweisen. Syllipsimopodi bideni verschiebt damit nun die fossile Überlieferung seiner Gruppe um etwa 82 Millionen Jahre in die Vergangenheit, heben die Forscher hervor. Der wohl interessanteste Aspekt ist allerdings, die Anzahl seiner Arme: “Dies ist der erste und einzige bekannte Vertreter der Achtarmigen Tintenfische, der zehn funktionale Anhängsel besitzt”, sagt Whalen.

Ursprünglich waren es zehn

Wie er und sein Kollege erklären, bestätigt dieser Befund die Annahme, dass der ursprüngliche Vorfahre der Achtarmigen Tintenfische noch zehn Arme besessen hat. Die Grundlage dafür bildeten bisher Hinweise darauf, dass Kraken zu ihren acht Armen kommen, indem zwei Einheiten eliminiert werden. Beim Vampirtintenfisch sind sie interessanterweise noch als Filamente erhalten – rudimentäre Überbleibsel von Armen. “Dieses Fossil liefert nun die erste konkrete Bestätigung, dass diese Kopffüßer ursprünglich zehn Arme besaßen”, so Whalen.

Wie aus den Analysen hervorgeht, waren bei Syllipsimopodi bideni zwei der Arme im Verhältnis zu den anderen acht Armen verlängert – ähnlich wie bei heutigen Vertretern der zehnarmigen Tintenfische. Eine weitere Ähnlichkeit zu diesen Kopffüßern war der torpedoförmige Körper. “Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die frühesten Vampyropoden zumindest oberflächlich den heute lebenden Sepien und Kalmaren ähnelten”, sagt Whalen. Sein Kollege Landman ergänzt dazu: “Syllipsimopodi füllte möglicherweise auch eine Nische aus, wie sie heute Sepien und Kalmare einnehmen, nämlich die eines mittelgroßen aquatischen Räubers”. Konkret vermuten die Forscher, dass das Tier seine längeren Arme zum Fangen von Beutetieren nutzte und seine kürzeren Arme zum Festhalten und Manipulieren der Opfer.

Abschließend bleibt die Frage, warum der urzeitliche Tintenfisch ausgerechnet nach Joe Biden benannt wurde. Offenbar hatte dies einen politischen Beweggrund mit einem eher grundlegenden Bezug zur Wissenschaft: “Die Pläne, die der neue Präsident zur Bekämpfung des anthropogenen Klimawandels vorgelegt hat, und seine allgemeine Meinung, dass Politiker auf die Wissenschaftler hören sollten, haben mich zu dieser Namensgebung inspiriert”, sagt Whalen.

Quelle: American Museum of Natural History, Yale University, Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-022-28333-5

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