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Urzeitlicher Panzerriese filterte Wasser

Erde|Umwelt

Urzeitlicher Panzerriese filterte Wasser
Vermutlich gab es schon vor rund 380 Millionen Jahren „sanfte Riesen“. (Bild: Mark Witton)

Giganten, die Winzlinge fressen – ähnlich wie die heutigen Bartenwale oder Riesenhaie ernährten sich offenbar auch schon riesige Panzerfische vor 380 Millionen Jahren, indem sie winzige Lebewesen aus dem Wasser filterten. Dies geht aus virtuellen Belastungsproben des Kiefers des mysteriösen Meeresriesen Titanichthys aus dem Erdzeitalter Devon hervor.

Es wirkt fast paradox – die Beutetiere des größten Tiers aller Zeiten sind kleine Krebschen. Der Blauwal kann solche Massen dieses Krills vertilgen, dass er sich ein Gewicht von über 200 Tonnen anfressen kann. Möglich wird dies durch das raffinierte Bartensystem im Maul des Meeressäugers, mit dem er die Winzlinge aus dem Wasser siebt. Ein ähnliches Verfahren nutzen auch die größten Fische: Der über 13 Meter lange Walhai und der ähnlich große Riesenhai sind ebenfalls Filtrierer. Bei ihnen bleiben die Kleinstlebewesen an bestimmten Strukturen im Bereich der Kiemen hängen und können anschließend geschluckt werden.

Als bisher älteste bekannte Beispiele dieser filtrierenden Ernährungsweise bei Wirbeltieren gelten Fische aus der Gruppe der Pachycormus, die im Mesozoikum gelebt haben. Es gab allerdings bereits Vermutungen, dass auch schon150 Millionen Jahre früher Filtrierer durch die Meere des Devon schwammen. Im Verdacht steht dabei unter anderem Titanichthys, der vor etwa 380 Millionen Jahren lebte. Er gehörte zur Gruppe der Panzerfische (Placodermen), von denen der berühmteste der bis zu zehn Meter lange Dunkleosteus war. Dieser von Panzerplatten bedeckte Räuber besaß ein Gebiss wie ein Nussknacker. Sein Verwandter Titanichthys war kaum kleiner, doch wie Fossilienfunde aus der Sahara zeigen, besaß er ein völlig anderes Maul.

Mysteriöser Panzergigant

Während der Unterkiefer von Dunkleosteus und vielen anderen Panzerfischen kräftige Fangzähne und Quetschplatten aufweist, war das Maul von Titanichthys zahnlos und ohne scharfe Kanten, die zum Schneiden geeignet waren. Sein Unterkiefer war allerdings mit etwa einem Meter ausgesprochen lang – ähnlich wie beim heutigen Riesenhai. Dies warf die Frage auf, was Titanichthys gefressen haben könnte. Dem Verdacht, dass er ein frühes Beispiel für einen Filtrierer repräsentiert, sind nun die Forscher um Sam Coatham von der University of Bristol nachgegangen.

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Als Indiz betrachteten sie dabei ein bekanntes Merkmal an den Kiefern der heutigen Planktonfresser: Da ihre Nahrung weich ist, benötigen sie kaum robuste Strukturen im Maul – ihr Unterkiefer ist dementsprechend wenig belastbar. Im Rahmen ihrer Studie verglichen die Paläontologen deshalb die Unterkiefer verschiedener Placodermen-Arten sowie heutiger Filtrierer mittels virtueller Belastungstests: Sie entwickelten 3D-Computermodelle der Fischkiefer und testeten deren Elastizität und damit die Wahrscheinlichkeit, dass die Kiefer brechen oder sich verbiegen.

Es zeigte sich: „Der Unterkiefer des Titanichthys stellte sich als mechanisch wesentlich weniger robust heraus als die Unterkiefer anderer Placodermen-Arten“, berichtet Coatham. „Deren Fressstrategien kommen für Titanichthys somit eher nicht in Frage, denn sein Kiefer wäre kaum in der Lage gewesen, die hohen mechanischen Belastungen auszuhalten, die beim Fressen größerer Beutetiere nötig sind“, so der Wissenschaftler. Wie er und seine Kollegen berichten, passten die Merkmale des Kiefers hingegen gut zu denen heutiger Filtrierer.

Ähnlich wie die Riesenhaie

Vor allem glichen sie denen des Riesenhais, was auf eine vergleichbare Nahrungsaufnahme hinweist. Dieser nach dem Walhai zweitgrößte aller Fische
schwimmt mit weit geöffnetem Maul langsam durchs Wasser und nimmt dabei Plankton auf, das sich an den Reusen-Strukturen seiner Kiemen verfängt und anschließend geschluckt werden kann. Wie die Ergebnisse nahelegen, ernährte sich auch Titanichthys vor etwa 380 Millionen Jahren auf diese Weise, sagen die Paläontologen.

Sie vermuten, dass es neben Titanichthys auch andere Vertreter der Panzerfische gegeben hat, die Plankton aus dem Wasser siebten. Möglicherweise waren auch einige weitere interessante Tierarten der Evolutionsgeschichte „sanfte Riesen“, sagen die Wissenschaftler. „Unsere Methoden könnten nun erweitert werden, um solche Arten in den Fossilienbeständen zu identifizieren. So ließe sich auch untersuchen, ob es gemeinsame Faktoren gibt, die ihre Entwicklung und ihr Aussterben vorantrieben haben“, sagt Coatham abschließend.

Quelle: University of Bristol, Fachartikel: Royal Society Open Science, doi: 10.1098/rsos.200272

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