Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Vererbtes Trauma

Erde|Umwelt Gesundheit|Medizin

Vererbtes Trauma
14-04-11-trauma.jpg
Doe Folgen traumatischer Erfahrungen können auch an die nächsten Generationen vererbt werden (ETH Zürich)
Dass traumatische Erfahrungen in der Kindheit bis ins Erwachsenenleben nachwirken, ist schon länger bekannt. Sie verändern nicht nur nachhaltig die Psyche der Betroffenen, sondern auch deren körperliche Gesundheit. Doch die Effekte gehen noch weiter, wie ein Experiment Schweizer Forscher zeigt: Wurden Mäuse schwerem Stress ausgesetzt, zeigten selbst ihre Enkel noch ein abnormes Verhalten und einen veränderten Stoffwechsel. Das belegt, dass diese Traumafolgen vererbbar sind. Weitergegeben werden sie nicht über Gene, sondern durch Veränderungen bei kurzen RNA-Stücken, die bestimmte Zellprozesse steuern, wie die Forscher herausfanden.

In der Psychologie ist das Phänomen schon länger bekannt: Traumatische Erlebnisse lösen Verhaltensauffälligkeiten nicht nur bei den Betroffenen aus, sondern können von Generation zu Generation weitergegeben werden. Bisher machte man dafür vor allem psychologische Ursachen verantwortlich. Doch allmählich mehren sich die Hinweise darauf, dass Stress vor allem in der Kindheit auch physiologische Veränderungen bewirken kann. Inwieweit sich diese auch auf die Nachkommen übertragen können, war jedoch bisher unklar. Isabelle Mansuy von der ETH und Universität Zürich und ihre Kollegen haben dies nun an Mäusen untersucht.

Verändertes Verhalten

Für ihre Studie hatten die Forscher Mäuse nach der Geburt extremem Stress ausgesetzt: Sie trennten sie in willkürlichen Zeitabständen von ihrer Mutter. Nachdem diese Mäuse ausgewachsen waren, überprüften sie ihr Verhalten mit einem Satz standardisierter Tests, indem sie unter anderem ihre Reaktion auf helles Licht und offene Räumen prüften und sie in einem Becken schwimmen ließen. Das Ergebnis: Alle dem frühkindlichen Stress ausgesetzten Mäuse zeigten ein verändertes Verhalten. Sie hatten größtenteils ihre natürliche Scheu vor diesen Aufgaben verloren. Das eigentlich Interessante aber zeigte sich beim Nachwuchs dieser Mäuse: Obwohl sie alle völlig normal und ungestresst gehalten wurden, manifestierten sich auch bei ihnen die Verhaltensauffälligkeiten. Selbst bei den Enkeln wiesen die Forscher diese Veränderungen noch nach.

Doch bei den Verhaltensänderungen blieb es nicht: Auch der Stoffwechsel der Mäuse-Nachkommen war verändert. Insulin- und Blutzuckerspiegel lagen bei ihnen niedriger als bei Jungtieren, deren Eltern und Großeltern keinen Stress erfahren hatten. Sie waren zudem trotz gleicher Nahrung deutlich schmächtiger. Die Jungtiere können diese Merkmale im Gegensatz zum Verhalten nicht von ihren Eltern „abgeguckt“ haben. Nach Ansicht der Forscher liegt daher der Schluss nahe, dass sich diese Folgen traumatischer Erfahrungen vererbt haben müssen. „Wir konnten erstmals beweisen, dass traumatische Erfahrungen den Stoffwechsel beeinträchtigen und diese Veränderungen erblich sind“, sagt Mansuy.

RNA-Schnipsel als Überträger

Wie diese Traumafolgen vererbt werden, zeigte eine weitere Untersuchung der gestressten Mäuse und ihrer Nachkommen: Als die Forscher Proben von Blut, Spermien und Gehirn der Tiere analysierten, fiel ihnen ein Ungleichgewicht von Micro-RNAs auf. Diese kurzen RNA-Moleküle sind kurze Kopien des Erbguts, die in den Zellen vor allem regulierende Aufgaben übernehmen. Sie steuern beispielsweise, wie stark bestimmte Gene abgelesen und in Proteine umgesetzt werden. Bei den Mäusen, deren Eltern und Großeltern traumatische Erfahrungen gemacht hatten, war die Verteilung und Menge dieser Micro-RNAs anormal, wie die Forscher berichten. Von einigen existierten zu viele, von anderen zu wenig. Dadurch laufen Zellprozesse, die durch diese Micro-RNAs gesteuert werden, aus dem
Ruder.

Anzeige

„Mit dem Ungleichgewicht der Micro-RNAs in Spermien haben wir einen Informationsträger entdeckt, über den Traumata vererbt werden könnten“, erklärt Mansuy. Es seien jedoch noch einige Fragen offen, zum Beispiel wie genau es zu dem Ungleichgewicht
der kurzen RNAs kommt. „Sehr wahrscheinlich sind sie Teil einer Wirkkette, die damit beginnt, dass der Körper zu viele Stresshormone produziert.“ Der gleiche Mechanismus könnte aber auch der Vererbung anderer erworbener Eigenschaften zugrunde liegen, vermutet die Forscherin. „Die Umwelt hinterlässt ihre Spuren
im Gehirn, den Organen und auch in Keimzellen. So werden diese Spuren teilweise an die nächste Generation weitergegeben.“

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Bal|sa|baum  〈m. 1u; Bot.〉 Baum des trop. Amerika, der sehr leichtes, festes Holz liefert: Ochroma lagopus

Sitz|bein  〈n. 11; Anat.〉 jeder der beiden Knochen, die die knöcherne Grundlage des Gesäßes bilden: Ossa ischii; Sy Gesäßbein … mehr

Te|nor 2  〈m. 1u; Mus.〉 1 hohe Stimmlage der Männer 2 = Tenorstimme … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige