Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Verhängnisvolle Anziehung

Erde|Umwelt

Verhängnisvolle Anziehung
13-11-26-mantis.jpg
Eingeschleppt nach Neuseeland: Gottesanbeterin der Art Miomantis caffra
Eine verhängnisvolle Anziehung hilft eingeschleppten Gottesanbeterinnen in Neuseeland dabei, ihre einheimischen Konkurrenten zu verdrängen. Denn die Männchen der heimischen Art können dem lockenden Duft der fremden Weibchen einfach nicht widerstehen. Sie lassen dafür sogar ihre Artgenossinnen schnöde links liegen, wie Forscher jetzt herausfanden. Für die angelockten Männchen aber nimmt der Seitensprung kein gutes Ende: Im Gegensatz zur heimischen Art gehören die invasiven Gottesanbeterinnen zum männermordenden Typ und fressen ihre Anbeter beim Paarungsversuch einfach auf.

Lange Zeit waren die Fangschrecken der Art Orthodera novaezealandiae in Neuseeland quasi konkurrenzlos glücklich. Selbst die Männchen dieser Art mussten nicht befürchten, bei der Paarung von ihrer Partnerin vertilgt zu werden, wie es bei anderen Gottesanbeterinnen üblich ist. Denn die rund vier Zentimeter großen, grün gefärbten Gottesanbeterinnen sind zwar effektive Insektenjäger, bleiben untereinander aber relativ friedlich. Doch seit 1978 ist damit Schluss: Seit dieser Zeit breitet sich die aus Südafrika eingeschleppte Gottesanbeterin Miomantis caffra immer mehr auf den neuseeländischen Inseln aus. In vielen Gegenden hat diese invasive Arte sogar bereits die einheimische verdrängt. „Die Mechanismen hinter diesem Verdrängungsprozess waren aber bisher unbekannt“, erklären Murray Fea und seine Kollegen von der University of Auckland. Sie sind daher nun der Sache auf den Grund gegangen.

Fataler Lockstoff

Die Vermutung der Forscher: Hier ist Sex im Spiel. Schon länger ist bekannt, dass die Weibchen vieler Gottesanbeterinnen-Arten Lockstoffe nutzen, um ihre Partner anzuziehen. Dieser Duft sollte zwar eigentlich nur auf Männchen der gleichen Art wirken, aber es gibt auch Ausnahmen. Um herauszufinden, ob das vielleicht auch bei den beiden Arten in Neuseeland der Fall ist, ließen die Wissenschaftler Männchen der heimischen Art Orthodera novaezealandiae zum Riechtest antreten: Sie setzten jeweils ein Männchen in das Ende eines Plexiglasrohrs, das sich in zwei Enden gabelte. An einem dieser Enden saß ein Weibchen der zugewanderten Art und verströmte ihren Duft, das zweite Ende blieb im ersten Durchgang leer. In einem zweiten Durchgang durfte dort ein einheimisches Weibchen gegen ihre Konkurrentin anduften.

Das Ergebnis war eindeutig: Die Orthodera-Männchen folgten nicht nur prompt dem Duft der artfremden Verführerin – sie zogen ihn sogar dem Lockstoff ihrer Artgenossinnen vor. Allein dieser Effekt könnte schon ausreichen, um die Fitness der einheimischen Art deutlich einzuschränken, wie Fea und seine Kollegen erklären. Denn durch die artfremden Gerüche abgelenkt, finden sich die Partner nicht mehr, paaren sich nicht und können sich folglich auch nicht vermehren. Nicht umsonst werden ablenkende Lockstoffe daher auch in der biologischen Schädlingsbekämpfung häufig eingesetzt.

Anzeige

Tod statt Sex

Aber es kommt noch perfider: Die Weibchen der eingeschleppten Art begnügen sich nicht damit, ihren heimischen Konkurrentinnen die Männchen auszuspannen – sie töten sie auch noch. Im Gegensatz zu den untereinander eher friedlichen Orthodera-Fangschrecken sind die Gottesanbeterinnen der Art Miomantis caffra klassische Sexual-Kannibalen. „Bei den Weibchen dieser Art machen die angelockten Männchen sogar einen wichtigen Teil ihrer Nahrung aus“, erklären Fea und seine Kollegen. Und wenn es ums Fressen geht, machen die Miomantis-Weibchen offenbar auch bei artfremden Partnern keine Ausnahme, wie die Experimente zeigten: Als die Forscher Orthodera-Männchen zu Miomantis-Weibchen setzten, endete dies in knapp 70 Prozent der Fälle mit dem Tod des Männchens.

Der Erfolg der neu eingeschleppten Gottesanbeterinnen beruht damit nach Ansicht der Forscher gleich auf mehreren Faktoren: Die fatale Anziehung des fremden Lockstoffs macht den einheimischen Weibchen ihre Paarungspartner abspenstig. Diese werden dann prompt von den fremden Weibchen gefressen, das reduziert die Populationsgröße der einheimischen Art und sorgt zudem noch für Männermangel. Und zu allem Überfluss verleiht das Zusatzfutter den fremden Weibchen mehr Energie für Ausbreitung und Vermehrung. „Diese Form der artübergreifenden Anziehung hat damit für sexualkannibalistische Arten wie Fangschrecken oder Spinnen besonders schwerwiegende Folgen“, konstatieren die Wissenschaftler.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Re|a|lis|mus  〈m.; –; unz.〉 1 〈Philos.〉 1.1 Lehre, die die Wirklichkeit als außerhalb u. unabhängig vom Bewusstsein stehend betrachtet  1.2 〈Scholastik〉 Lehre, die besagt, dass die allgemeinen Begriffe die eigentlich realen Dinge sind … mehr

Gis  〈Mus.〉 I 〈n.; –, –〉 Tonbezeichnung, das um einen halben Ton erhöhte G; oV gis ( … mehr

Mu|sik|the|a|ter  〈n. 13〉 Theater, in dem nur Opern u. Operetten aufgeführt werden (keine Schauspiele); Ggs Sprechbühne … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige